Auktion: 387 / Post War/ Zeitgenössische Kunst am 10.12.2011 in München Lot 203

 
Ernst Wilhelm Nay - Figurale - Odaliske I


203
Ernst Wilhelm Nay
Figurale - Odaliske I, 1949.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 30.000
Ergebnis:
€ 68.320

(inkl. Käuferaufgeld)
Öl auf Leinwand.
Scheibler 477. Rechts unten signiert und datiert. Auf dem Keilrahmen mit Widmung und Bezeichnung von Elisabeth Nay vom 8. April 1971. 26 x 40 cm (10,2 x 15,7 in).

AUSSTELLUNG: E.W. Nay - Neue Bilder, Galerie Dr. Werner Rusche, Köln 15.3.-30.4.1949, Kat. Nr. 11 (dort: Kleine Liegende I).

Ernst Wilhelm Nay studiert 1925-28 an der Berliner Hochschule für Bildende Künste bei Karl Hofer. In der Auseinandersetzung mit Ernst Ludwig Kirchner und Henri Matisse, aber auch mit Caspar David Friedrich und Nicolas Poussin vollzieht sich seine erste Orientierung; seine Stillleben, Porträts und Landschaften finden große Anerkennung. 1931 erhält Nay ein neunmonatiges Stipendium für die Villa Massimo in Rom, wo seine surrealistisch-abstrakten Bilder entstehen. Durch Vermittlung des Lübecker Museumsdirektors C.G. Heise erhält Nay ein von Edvard Munch finanziertes Arbeitsstipendium, das ihm 1937 einen Aufenthalt in Norwegen und auf den Lofoten ermöglicht. In den dort entstandenen "Fischer- und Lofotenbildern" erreicht sein Schaffen einen ersten Höhepunkt. Im gleichen Jahr werden in der Ausstellung "Entartete Kunst" zwei seiner Werke gezeigt und Nay mit Ausstellungsverbot belegt. 1940 zum Kriegsdienst einberufen, kommt Nay als Infanterist nach Frankreich, wo ihm ein französischer Bildhauer sein Atelier zur Verfügung stellt. Die künstlerische Verarbeitung der Kriegs- und Nachkriegszeit vollzieht sich 1945-48 in den "Hekatebildern", in denen Motive aus Mythos, Legende und Dichtung anklingen.

Unsere Arbeit steht exemplarisch für eine Folge von Bildern, die zwischen 1949 und 1951 entstehen und als "Fugale Bilder" oder "Odaliskenbilder" zusammengefasst werden. Als Odaliskenbilder werden sie bezeichnet, da Nay überwiegend das Motiv der liegenden Frau variiert. Die fugale Periode steht zwar am Beginn einer neuen Phase nayscher Abstraktion, trotzdem liegt jeder Komposition ein figürliches Motiv zu Grunde. Das Motiv wird durch den Künstler entschlüsselt und in seine formalen Bestandteile zerlegt, akzentuiert von arabeskenhaften Schleifenformen und Punkten. Die Arbeit "Figurale - Odaliske I" entsteht in einer entscheidenden Schaffensphase Nays, in der er sich selbstbewusst der Abstraktion verschreibt. Und das, obwohl die zeitgenössische Kunstkritik dogmatisch am Figürlichen festhält und Nays Werke weitestgehend unverstanden bleiben. Seinen künstlerischen Weg geht Nay unbeirrt weiter, die Zeit und die folgende Rezeption seiner Arbeiten werden ihm Recht geben.

1950 zeigt die Kestner-Gesellschaft Hannover Nays erste Retrospektive. Ein Jahr später übersiedelt der Künstler nach Köln. Hier vollzieht Nay den endgültigen Schritt zur völlig ungegenständlichen Malerei in seinen "Rhythmischen Bildern", in denen er die Farbe als reinen Gestaltwert einzusetzen beginnt. Seit 1955 entstehen Nays "Scheibenbilder", in denen runde Farbflächen subtile Raum- und Farbmodulationen im Bild organisieren. Diese finden 1963/64 ihre Weiterentwicklung in den sogenannten "Augenbildern". Mit der ersten amerikanischen Einzelausstellung in den Kleeman Galleries, New York 1955, seinem Beitrag für die Biennale in Venedig 1956 sowie seiner Beteiligung an der documenta in Kassel (1955, 1959 und 1964) vollzieht sich sein internationaler Durchbruch. Ernst Wilhelm Nay erhält wichtige Preise und ist bei fast allen repräsentativen Ausstellungen deutscher Kunst im In- und Ausland vertreten. [SM]




203
Ernst Wilhelm Nay
Figurale - Odaliske I, 1949.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 30.000
Ergebnis:
€ 68.320

(inkl. Käuferaufgeld)