346
Max Schwimmer
Der Einarmige, 1919.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 14.000 Ergebnis:
€ 80.520 (inkl. Käuferaufgeld)
Öl auf Leinwand
Links unten signiert und datiert. Verso mit einer in Öl ausgeführten abstrakten Komposition, oben links signiert und datiert. Auf dem Keilrahmen nochmals signiert, datiert sowie betitelt und mit der gestempelten Nummer "64" versehen. 64 x 52 cm (25,1 x 20,4 in)
Im Originalrahmen des Künstlers. [KP].
Wir danken Frau Inge Stuhr, Leipzig, für die freundliche wissenschaftliche Beratung.
PROVENIENZ: Sammlung Dr. Hans Koch, Düsseldorf.
Privatsammlung Süddeutschland.
Max Schwimmers außergewöhnliches Selbstbildnis "Der Einarmige" kann als prototypisches Beispiel des Phänomen Expressionismus betrachtet werden, vereinigt es doch die stilistischen Eigenheiten der Bewegung in exemplarischer Weise und führt die Auslieferung des Künstler-Ichs an das Geistige in der Kunst anschaulich vor Augen. Schon 1917 hatte Schwimmer in einem Brief an seinen Zeichenlehrer Otto Junghans seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, als er schrieb: „Erschrecken Sie nicht – ich habe mich ganz und gar dem Expressionismus verschrieben. Mein Fühlen und Wollen ist so geartet, dass ich nicht anders kann.“ Im unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen Selbstporträt findet er eine an Eindringlichkeit nicht zu überbietende Metapher für die Ohnmacht des Individuums: Der Künstler ohne Hand. Es ist eine zugespitzte Version des Topos des Selbstporträts angesiedelt neben dem „Künstler ohne Land“, wirkmächtig zwischen Klees Ansage von „diesseitig bin ich gar nicht fassbar“ und Rilkes „Fahrenden“, „den ein wenig flüchtigeren noch als wir selbst“. Hier ist das weite Feld einer Existenz eröffnet, die stets mehr wagt als sie je gewinnen kann.
Ernst Ludwig Kirchner führt 1915 mit seinem "Selbstbildnis als Soldat" das Sujet der abgeschlagenen Hand ein, das alsbald zum Sinnbild und zum Inbegriff des expressionistischen Selbstverständnisses angesichts des Krieges wird. Das Selbstporträt in Soldatenuniform wird zum authentischen Ausdruck der erlebten Verlorenheit in einer übermächtig hereinbrechenden, schwer einschätzbaren Außenwelt. Der uniformen, äußeren Schale stellen die Künstler ihre innere Befindlichkeit, ihr sensibles, positives, kristallklares eigentliches Selbst entgegen, welches sich formal in der von Kubismus abgeleiteten Facettierung des Körpers spiegelt. Das Bildnis wird zum zentralen Sujet um die Befragung der Welt mit den Mitteln der Malerei zu manifestieren.
Den Künstler, und damit sich selbst, "einarmig", ohne Hand zu zeigen – ohne den exekutiven Körperteil, der die Empfindungen des Selbst erst Bild werden lässt – ist der krasseste Ausdruck der Unmöglichkeit, des buchstäblichen „Nicht-Könnens“ oder „Nicht-mehr-Könnens“. Um die totale Katastrophe ringsum in Bilder zu übersetzen, wird die fehlende Hand zur Chiffre für das „Nicht-Darstellbare“ des Grauens. Die Empfindung des „Verlorenen“ ist so existentiell, dass eine Vision als Tatsache geschildert wird, deren Realität die Ausführung eines Bildes unmöglich machen würde. In diesem Paradoxon, dieser endlosen Schleife des Wollens und „Nicht-Könnens“ erreicht Max Schwimmer hier höchste Schärfe und Eindringlichkeit.
Schwimmers Bild war unmittelbar nach seiner Entstehung in die außergewöhnliche Expressionismus-Sammlung von Dr. Hans Koch aus Düsseldorf gelangt. Dem mäzenatischen Einsatz des enthusiastisch Kunst sammelnden Arztes ist das Überleben vieler Bilder dieser Zeit zu verdanken. Auch die Tatsache, dass er die Bilder meist in den einfachen, von den Künstlern selbst gestalteten Rahmen beließ, beweist seine sympathisierende Kennerschaft. Das nebenstehende Werk war ab Mitte der 1920er Jahre in Schloss Randegg im Hegau vielen Künstlerkollegen auf der Durchreise oder auf dem Weg ins Exil vor Augen, wo es neben Werken von Dix, Klee und Campendonk beredtes Zeugnis des Zeitgeschehens ablegte.
Links unten signiert und datiert. Verso mit einer in Öl ausgeführten abstrakten Komposition, oben links signiert und datiert. Auf dem Keilrahmen nochmals signiert, datiert sowie betitelt und mit der gestempelten Nummer "64" versehen. 64 x 52 cm (25,1 x 20,4 in)
Im Originalrahmen des Künstlers. [KP].
Wir danken Frau Inge Stuhr, Leipzig, für die freundliche wissenschaftliche Beratung.
PROVENIENZ: Sammlung Dr. Hans Koch, Düsseldorf.
Privatsammlung Süddeutschland.
Max Schwimmers außergewöhnliches Selbstbildnis "Der Einarmige" kann als prototypisches Beispiel des Phänomen Expressionismus betrachtet werden, vereinigt es doch die stilistischen Eigenheiten der Bewegung in exemplarischer Weise und führt die Auslieferung des Künstler-Ichs an das Geistige in der Kunst anschaulich vor Augen. Schon 1917 hatte Schwimmer in einem Brief an seinen Zeichenlehrer Otto Junghans seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, als er schrieb: „Erschrecken Sie nicht – ich habe mich ganz und gar dem Expressionismus verschrieben. Mein Fühlen und Wollen ist so geartet, dass ich nicht anders kann.“ Im unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen Selbstporträt findet er eine an Eindringlichkeit nicht zu überbietende Metapher für die Ohnmacht des Individuums: Der Künstler ohne Hand. Es ist eine zugespitzte Version des Topos des Selbstporträts angesiedelt neben dem „Künstler ohne Land“, wirkmächtig zwischen Klees Ansage von „diesseitig bin ich gar nicht fassbar“ und Rilkes „Fahrenden“, „den ein wenig flüchtigeren noch als wir selbst“. Hier ist das weite Feld einer Existenz eröffnet, die stets mehr wagt als sie je gewinnen kann.
Ernst Ludwig Kirchner führt 1915 mit seinem "Selbstbildnis als Soldat" das Sujet der abgeschlagenen Hand ein, das alsbald zum Sinnbild und zum Inbegriff des expressionistischen Selbstverständnisses angesichts des Krieges wird. Das Selbstporträt in Soldatenuniform wird zum authentischen Ausdruck der erlebten Verlorenheit in einer übermächtig hereinbrechenden, schwer einschätzbaren Außenwelt. Der uniformen, äußeren Schale stellen die Künstler ihre innere Befindlichkeit, ihr sensibles, positives, kristallklares eigentliches Selbst entgegen, welches sich formal in der von Kubismus abgeleiteten Facettierung des Körpers spiegelt. Das Bildnis wird zum zentralen Sujet um die Befragung der Welt mit den Mitteln der Malerei zu manifestieren.
Den Künstler, und damit sich selbst, "einarmig", ohne Hand zu zeigen – ohne den exekutiven Körperteil, der die Empfindungen des Selbst erst Bild werden lässt – ist der krasseste Ausdruck der Unmöglichkeit, des buchstäblichen „Nicht-Könnens“ oder „Nicht-mehr-Könnens“. Um die totale Katastrophe ringsum in Bilder zu übersetzen, wird die fehlende Hand zur Chiffre für das „Nicht-Darstellbare“ des Grauens. Die Empfindung des „Verlorenen“ ist so existentiell, dass eine Vision als Tatsache geschildert wird, deren Realität die Ausführung eines Bildes unmöglich machen würde. In diesem Paradoxon, dieser endlosen Schleife des Wollens und „Nicht-Könnens“ erreicht Max Schwimmer hier höchste Schärfe und Eindringlichkeit.
Schwimmers Bild war unmittelbar nach seiner Entstehung in die außergewöhnliche Expressionismus-Sammlung von Dr. Hans Koch aus Düsseldorf gelangt. Dem mäzenatischen Einsatz des enthusiastisch Kunst sammelnden Arztes ist das Überleben vieler Bilder dieser Zeit zu verdanken. Auch die Tatsache, dass er die Bilder meist in den einfachen, von den Künstlern selbst gestalteten Rahmen beließ, beweist seine sympathisierende Kennerschaft. Das nebenstehende Werk war ab Mitte der 1920er Jahre in Schloss Randegg im Hegau vielen Künstlerkollegen auf der Durchreise oder auf dem Weg ins Exil vor Augen, wo es neben Werken von Dix, Klee und Campendonk beredtes Zeugnis des Zeitgeschehens ablegte.
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