Auktion: 382 / Alte und Neuere Meister am 27.10.2011 in München Lot 60

 
Willem I van de Velde - Englische Kriegsschiffe


60
Willem I van de Velde
Englische Kriegsschiffe, 1680.
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 78.080

(inkl. Käuferaufgeld)
Grisaille auf Leinwand
Rechts unten schwer lesbar signiert und datiert (nachgezogen). 56,2 x 63,5 cm (22,1 x 25 in)
Wir danken Herrn Roger Quarm, ehemals National Maritime Museum, Greenwich, und Herrn Remmelt Daalder, Het Scheepvaartmuseum, Amsterdam, für die wissenschaftliche Beratung.

Willem van de Velde wird 1611 im niederländischen Leiden als Sohn eines Kapitäns geboren. Über seine frühen Jahre und seine Ausbildung ist nichts bekannt, die erste erhaltene Zeichnung ist mit 1638 datiert. Im Jahr 1631 heiratet er Judith van Leeuwen, zwei Jahre später wird der erste Sohn Willem der Jüngere, 1636 Adriaan geboren. Beide werden ebenfalls Künstler. Während Adriaan sich ganz der Landschaftsmalerei widmet, wird Willem d.J. nach seiner Ausbildung bei Simon de Vlieger zum engen künstlerischen Partner des Vaters. 1636 zieht die Familie nach Amsterdam und van de Velde zeichnet als unabhängiger Künstler in großer Anzahl Schiffe aller Art: Fischerboote und Handelsschiffe, große niederländische Ostindien-Fahrer und vor allem detaillierte Porträts der Schiffe der niederländischen Kriegsflotte. Bereits 1643 und 1648 nimmt er als Beobachter an Seeschlachten vor der niederländischen Küste teil, erhält aber erst 1652, zu Beginn des ersten Anglo-niederländischen Krieges, eine offizielle Anstellung durch die niederländische Admiralität. Von nun an steht ihm eine Galiot samt Kapitän zur Verfügung, von der aus er den gesamten Gefechtsverlauf beobachten und zahlreiche Skizzen anfertigen kann. Mit hoher historischer Treue fügt er diese Zeichnungen später in meist großformatigen Gemälden zusammen. Nachdem Willem van de Velde sich bereits zwischen 1660 und 1662 für längerer Zeit in England aufgehalten hatte, siedelt er 1672 zusammen mit seinem Sohn Willem d.J. endgültig nach England über und lässt sich in Greenwich, später in Westminster nieder. Mögliche Gründe für diese Übersiedlung sind wohl zum einen in familiären Streitigkeiten zwischen van de Velde und seiner Frau zu suchen, die er später allerdings nach London nachkommen lässt. Andererseits wurde das Leben in den Niederlanden nach dem Einmarsch der Franzosen unter Ludwig XIV. und einer daraus resultierenden Regierungskrise sehr unsicher und gefährlich. Im Dienste des englischen Königs Karl II. entwerfen Vater und Sohn zunächst Vorlagen für großformatige Tapisserien mit Szenen aus den wichtigen Seeschlachten. Bis zum endgültigen Ende der Feindseligkeiten zwischen England und den Niederlanden 1674 wird van de Velde auch an der Seite der englischen Flotte wieder Augenzeuge der Seeschlachten. Der Wechsel seiner Auftraggeber ist gut in seinen Gemälden ersichtlich, da von nun an der Bildvordergrund nicht mehr von niederländischen, sondern den englischen Kriegsschiffen dominiert wird.

Die Arbeiten Willem van de Veldes, des wohl berühmtesten Schiffsmalers des 17. Jahrhunderts, sind gekennzeichnet von äußerster Sorgfalt bei der Darstellung der einzelnen Schiffe, die bis in jede Einzelheit ausgeführt werden. Anders als bei den zeitgenössischen Marinemalern steht für van de Velde nicht die naturgetreue und stimmungsreiche Darstellung des Meeres im Vordergrund, sondern er legt sein Hauptaugenmerk auf die möglichst exakte Schilderung der Schiffe. Besonders auffällig ist die von van de Velde perfektionierte Grisaille-Technik, die er für zahlreiche seiner Gemälde verwendet. Dabei zeichnet er mit Feder und Pinsel auf eine weiß grundierte Leinwand oder Holztafel. Mit Hilfe von feinen Schraffuren und zarten Lavierungen gelingt es ihm eine hohe Plastizität und Tiefenwirkung zu erzeugen, ohne die zeichnerischen Details zu gefährden.

In den letzten Jahren bis zu seinem Tode greift van de Velde immer wieder auf die Seeschlacht-Thematik zurück, widmet sich aber zunehmend auch friedlichen maritimen Motiven. Vor allem die wichtigen Geschehnisse aus dem Leben der englischen Königsfamilie finden sich im späten Werk van de Veldes wieder: Flottenbesuche des Königs, Einschiffungen und prunkvolle königliche Ankünfte. Tätig ist Willem van de Velde bis zu seinem Tod 1693 in London. [CB].




60
Willem I van de Velde
Englische Kriegsschiffe, 1680.
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 78.080

(inkl. Käuferaufgeld)