Auktion: 380 / Moderne Kunst am 04.06.2011 in München Lot 46

 
Hermann Max Pechstein - Stillleben mit Fächer


46
Hermann Max Pechstein
Stillleben mit Fächer, 1918.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 200.000
Ergebnis:
€ 195.200

(inkl. Käuferaufgeld)
Öl auf Leinwand
Links unten monogrammiert und datiert. Auf dem Keilrahmen betitelt. 84,5 x 74,5 cm (33,2 x 29,3 in)

Das Gemälde wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis der Gemälde Pechsteins von Dr. Aya Soika unter der Werkverzeichnisnummer 1918/18 aufgenommen.

PROVENIENZ: Privatsammlung Hamburg.
Privatsammlung Holstein (seit 1921).

AUSSTELLUNG: Max Pechstein. Bildnisse, Landschaften, Stilleben, Kunstsalon Fritz Gurlitt, Berlin 1918, Kat.Nr. 7 (Stilleben mit Fächer) oder Kat.Nr. 41 (Fächer Stilleben), da ohne Abbildung.
Jahresausstellung des Kunstvereins in Hamburg, 16. Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes, Hamburg 1921, Titelbild des Kataloges, Kat.Nr. 252 (ohne Abb.).

Schon früh wird das künstlerische Talent Max Pechsteins erkannt und gefördert. Sein Werdegang, erst als Lehrling bei einem Zwickauer Malermeister, dann in der Dresdner Kunstgewerbeschule und schließlich an der dortigen Akademie bei dem Dekorationsmaler Otto Gußmann, verhilft Pechstein zu einem soliden handwerklichen Können. Als er 1906 für die Dresdner Kunstgewerbeausstellung ein Deckenbild in so unkonventioneller Farbigkeit malt, dass es der Auftraggeber durch graue Spritzer dämpfen lässt, wird Erich Heckel auf Pechstein aufmerksam und holt ihn schließlich in die ein Jahr zuvor gegründete Künstlervereinigung "Die Brücke", welche sich zum Ziel eine dem Impressionismus entgegengesetzte, aus der Kraft der Farbe kommende Malerei gesetzt hatte und "alle revolutionären und gärenden Kräfte an sich [..] ziehen wollte" (Schmidt-Rottluff). Im Umfeld der "Brücke"-Mitglieder entwickelt sich der expressionistische Stil Pechsteins nun weiter, wobei es sein Ziel ist, mit wohldosiertem Einsatz malerischer Mittel den motivischen Kernpunkt herauszuarbeiten. 1908 lässt sich Pechstein in Berlin nieder und wird dort zum Mitbegründer der Neuen Sezession. Er schafft Figurenbilder, Stillleben und Landschaften in einem gemäßigt expressionistischen Stil, der zu dem frühen und langanhaltenden Erfolg des Künstlers führt.

Die Veränderungen in der Gesellschaft, die der Erste Weltkrieg hervorruft, hinterlassen auch im Werk von Max Pechstein ihre Spuren. Zum einen auf materieller Ebene: So ist das vorliegende Werk auf zwei aneinandergefügten Leinwänden gemalt, im unteren Bilddrittel ist die horizontal durchlaufende Naht sichtbar. Max K. Pechstein, der Sohn des Künstlers, schrieb dazu 1982 an den Vorbesitzer: "Was Ihren Hinweis auf die geflickte Leinwand anbelangt, so haben Sie durchaus recht mit Ihrer Vermutung, dass dies auf Materialmangel im Entstehungsjahr 1918 zurückzuführen ist: nach dem 1. Weltkrieg gab es da tatsächlich grosse Schwierigkeiten für HMPechstein, die er in seinen 'Erinnerungen' besonders erwähnt bzw. herausstellt." Zum anderen auf künstlerischer Ebene: Es entstehen auf der Suche nach einer Neufindung und fußend auf dem bereits erarbeiteten Werke, zu denen auch das unsere gehört und in denen Pechstein wieder eine gewisse malerische Komponente einführt. Das in seiner Dreiteilung der Komposition aus Fächer, Teekanne und Hyazinthentopf anspruchsvolle Sujet wird mittels einer amorphen Malweise zusammengeführt und so einer eher romantisierenden denn expressiven Aussage unterworfen. Eine gewisse Beruhigung der Bildfläche tritt ein, die Pechstein dazu nützt, den Gesamtcharakter des Stilllebens abzurunden, die Komposition zu vereinheitlichen. Reminiszenzen an den Kubismus mögen in der erregten Faltung des Tischtuches wahrgenommen werden, doch sie sind, da nicht bildbeherrschend, eher marginal. Eine differenzierte Farbigkeit, die in ihrer Objektbezogenheit auf alte Vorbilder zurückgreift, darf als Versuch gewertet werden, dem gesamten zukünftigen Schaffen eine neue Richtung zu geben, was in der Tat auch geschieht. Das "Stillleben mit Fächer" steht exemplarisch für eine wichtige Zeit des Umbruchs im malerischen Schaffen von Max Pechstein und sollte unter diesem Aspekt gesehen und bewertet werden.

1937 wird Hermann Max Pechstein als "entarteter Künstler" diffamiert. Ab 1945 dann lehrt er an der Berliner Akademie der Künste. Neben der Malerei entsteht im Bereich der Grafik ein Werk mit mehr als 850 Holzschnitten, Lithografien und Radierungen. [KD].




46
Hermann Max Pechstein
Stillleben mit Fächer, 1918.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 200.000
Ergebnis:
€ 195.200

(inkl. Käuferaufgeld)