Auktion: 362 / Alte und Neuere Meister am 12.12.2009 in München Lot 56

 
James Ensor - Die Kathedrale


56
James Ensor
Die Kathedrale, 1886.
Radierung
Schätzung:
€ 4.000
Ergebnis:
€ 4.514

(inkl. Käuferaufgeld)

Radierung
Delteil 7 I (von II), Elesh 7 III (von IV), Croquez 7 III (von IV), Taevernier III (von III), vor der Reinigung der Platte im Bereich des Himmels. Rechts unten mit Bleistift signiert und datiert. In der Platte rechts oben signiert und datiert. Auf breitrandigem Velin mit Japanstruktur. Prachtvoller feinzeichnender zarter Frühdruck mit schönem Plattenton. 24,8 x 19 cm (9,7 x 7,4 in), Papier 46,7 x 35 (18,3 x 13,7 in)
Erste Fassung mit dem kleinen Kreuz auf dem Dach zwischen den beiden Türmen. Nach dem Verlust der ursprünglichen Platte entstand 1896 eine geringfügig abweichende zweite Fassung von der Hand des Künstlers.

LITERATUR: Wilhelm Fraenger - James Ensor - in: Die Graphischen Künste, Mitteilungen der Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst, Wien, 1926, Jahrgang XLIX, Heft 4, Seite 81-98.

Die aus der Frühzeit seines künstlerischen Schaffens, in der James Ensor hauptsächlich als Zeichner und Radierer tätig war, stammende eindrucksvolle Arbeit gilt als eines der bedeutendsten druckgrafischen Werke des Künstlers.
Die nahezu die gesamte Platte überziehende feinlinige Struktur der Grafik lässt zunächst die monumentale Architektur der Kathedrale in den Vordergrund treten, mit wanderndem Blick wird der Betrachter jedoch rasch der schier unüberschaubar wirkenden Menschenmenge gewahr, die zugleich teils fratzenhaft charakterisierte Individuen zeigt. Der immer schemenhafter werdende Tiefenzug der Massengliederung in den Bildhintergrund sowie die in starker Verkürzung gesehene monumentale Kathedrale ermöglichen einen für das Format des Blattes überwältigenden imaginären Tiefenraum. So ungreifbar das Individuum innerhalb der dargestellten Menschenmasse zu bleiben scheint, so ungreifbar und rätselhaft muss letztlich auch der Bildinhalt der Radierung bleiben. Dennoch lassen sich bereits in dieser frühen Arbeit zwei wiederkehrende zentrale, miteinander verwobene Bildmotive erkennen - das Spiel mit Masken sowie mit gedrängten, grotesken Menschenmassen, was auf die Negation des Individuums verweist. Ein Zusammenspiel, welches nicht zuletzt in den ebenso verstörenden Visionen August Strindbergs Erwähnung findet. Wilhelm Fraenger widmet dem Blatt 1926 eine in der Zeitschrift "Die Graphischen Künste" erschienene eingehende Untersuchung, die sowohl hinsichtlich der Bildkomposition als auch der inhaltlichen Deutung noch immer als beispielhaft zu sehen ist. [CM].




56
James Ensor
Die Kathedrale, 1886.
Radierung
Schätzung:
€ 4.000
Ergebnis:
€ 4.514

(inkl. Käuferaufgeld)