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Ana Mendieta Biografie
Im Alter von zwölf Jahren werden Ana Mendieta und ihre Schwester von ihrer Familie in die USA, nach Iowa geschickt, nachdem sich Mendietas Vater den konterrevolutionären Kräften gegen Fidel Castro angeschlossen hatte. Mit der sog. Operation Pedro Pan (Operation Peter Pan) gelangen damals über 14.000 unbegleitete kubanische Kinder in die Vereinigten Staaten, deren Eltern nach der kubanischen Revolution um ihre Zukunft fürchten mussten. Gemeinsam mit ihrer Schwester lebt Ana Mendieta zunächst in Flüchtlingslagern, Heimen und Pflegefamilien. Erst Jahre später werden die Schwestern wieder mit ihrer Familie zusammengeführt und erst 1980 kehrt Ana Mendieta in ihre Heimat Kuba zurück.
1972 beendet Ana Mendieta ihr Malerei-Studium an der University of Iowa mit einem Master of Arts, dem 1977 ein Master of Fine Arts im damals neuen Fachbereich der Intermedialität (unter der Leitung des deutschen Künstlers Hans Breder) folgt. In diesen Jahren schafft Ana Mendieta ihre ersten interdisziplinären Werke und beschäftigt sich u. a. mit dem Schaffen des Wiener Aktionismus, der Fluxus-Bewegung und Künstlern wie Lynda Benglis, Chris Burden, Bruce Nauman und Robert Smithson. Schon früh entwickelt sie ganz persönliche künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten, um die für sie wichtigen Themen des Lebens zu visualisieren: die eigene und die weibliche Identität, Geschlechter, Feminismus, die Entfremdung von Körper und Natur, Schönheit, Selbstwahrnehmung, Leben, Gewalt, Tod und Wiedergeburt.
Kurz nachdem die Studentin Sarah Ottens 1973 auf dem Campus von Mendietas Universität vergewaltigt und ermordet wird, lädt Ana Mendieta zu der Performance "Rape Scene" in ihre eigene Wohnung ein, bei der sie sich mit Blut bedeckt und an einen Tisch binden lässt. Das Ana Mendieta seit ihrer Kindheit begleitende Gefühl der Verlorenheit und Heimatlosigkeit fließt in ihre "earth-body works" und "earth-body sculptures" ein, in denen sie, wie in der Silueta-Serie (1973-1980), in skulpturaler Manier aus organischen Materialien wie Blättern, Holz, Federn und Blut ihren eigenen Körperabdruck und ihre eigene Silhouette auf Gras, Sand und Lehmböden nachempfindet, wobei sie indigene Kulturen, ihre persönliche Geschichte und die Beziehung der Menschheit zu dem von ihnen bewohnten Land thematisiert. "I have thrown myself into the very elements that produced me", erklärt die Künstlerin damals (zit. nach: Museum of Modern Art, https://www.moma.org/collection/works/55679). Auch in ihren fotografischen Arbeiten wie bspw. in "Untitled (Facial Cosmetic Variations)" spielt Mendieta mit ihrer eigenen Identität, verändert und verfremdet ihr Äußeres mit Perücken, Make-up und den unterschiedlichsten Gesichtsausdrücken.
Bereits ab den 1970er Jahren kann Ana Mendieta ihr Schaffen in zahlreichen, auch internationalen Ausstellungen präsentieren. 1978, wenige Monate nach ihrem zweiten Studienabschluss, zieht sie nach New York, wo sie 1979 während einer Ausstellung ihres fotografischen Werks in der A.I.R. Gallery den Bildhauer Carl Andre kennenlernt, den sie 1985 schließlich heiratet. Ihr reiches, vielseitiges künstlerisches Schaffen umfasst bald Malerei, Zeichnung, Fotografie, Filme, Performance, Druckgrafik sowie Künstlerbücher und bewegt sich dabei gänzlich frei zwischen Disziplinen wie Body-Art, Land-Art und Performance-Kunst. Innerhalb von zehn Jahren entstehen allein mehr als 100 Bewegtbild-Arbeiten, die erst 2014 in einer bahnbrechenden internationalen Wander-Ausstellung "Covered in Time and History: The Films of Ana Mendieta" präsentiert werden und endlich größere Anerkennung erfahren.
Während ihres kurzen Lebens schafft Ana Mendieta ein innovatives und radikales Werk voller Einfallsreichtum und Provokationslust und von oftmals aufwühlender, aber auch mysteriös-poetischer Anmutung. 1980 ist die Künstlerin Stipendiatin des John Simon Guggenheim Foundation Fellowship. 1983 verbringt sie infolge des ihr verliehenen Prix de Rome ein Jahr in Italien. Nach ihrer Rückkehr in die USA lebt sie mit Carl Andre gemeinsam in New York. Obwohl die Beziehung scheinbar glücklich verläuft und die beiden 1985 heiraten, wirft der viel zu frühe, tragische Tod der Künstlerin große Fragen auf. Mendietas Leichnam wird eines Morgens wohl nach einem Sturz aus ihrem Fenster im 34. Stock auf dem Dach des benachbarten Hauses aufgefunden. Carl Andre wird zunächst wegen Mordes angeklagt, 1988 jedoch freigesprochen. Während des Prozesses um Ana Mendietas bis heute mysteriösen Tod wird ihre Kunst zum Teil als "Beweis" für ihre angebliche geistige Instabilität verwendet.
Zwei Jahre nach Mendietas Tod erscheint der eindringliche Dokumentarfilm "Ana Mendieta: Fuego de Tierra" (Regie: Nereida Garcia-Ferraz und Kate Horsfield). Bis heute engagieren sich zahlreiche Freunde und Förderer von Ana Mendieta in dem internationalen Kollektiv "WHEREISANAMENDIETA", das sich gegen die Gleichgültigkeit kultureller Institutionen gegenüber Frauen, ethnischen Minderheiten und anderen marginalisierten Gruppen einsetzt und mit Ausstellungen und Veranstaltungen von Medietas Werk und das ihres künstlerischen Umfelds auf das Leben und den Tod der Künstlerin aufmerksam machen möchte. Auch der Podcast "Death of an Artist" von Helen Molesworth beschäftigt sich mit dem Tod der Künstlerin, insbesondere aber mit ihrem außergewöhnlichen Leben, ihrem herausragenden künstlerischen Schaffen und den ungleichen Machtverhältnissen in der Kunstwelt.
2009 erhält Ana Mendieta postum den Lifetime Achievement Award der Cintas Foundation. Umfassende Einzelausstellungen ihres Schaffens zeigen in den letzten Jahren u. a. The Hirshhorn Museum and Sculpture Garden in Washington, D.C., das Whitney Museum of American Art in New York (2004/05), die Hayward Gallery in London und das Museum der Moderne in Salzburg (2013), die Galerie Nationale du Jeu de Paume in Paris (2018/19), der Gropius Bau in Berlin (2018).
Sammlungen
Solomon R. Guggenheim Museum, New York
Museum of Modern Art, New York
Metropolitan Museum of Art, New York
Whitney Museum of American Art, New York
Museum of Contemporary Art, Los Angeles
Los Angeles County Museum of Art, Los Angeles
San Francisco Museum of Art
Centre Pompidou, Paris
Tate Gallery, London
Ausstellungen
"Ana Mendieta. Search for Origin" MO.CO. Panacée in Montpellier, Frankreich 3.6.-10.9.2023