Auktion: 560 / Evening Sale am 06.12.2024 in München Lot 123001689
123001689
Hermann Max Pechstein
Stillleben mit Orangen, 1909.
Öl auf Leinwand
Schätzpreis: € 200.000 - 300.000
Informationen zu Aufgeld, Steuern und Folgerechtsvergütung sind ab vier Wochen vor Auktion verfügbar.
Stillleben mit Orangen. 1909.
Öl auf Leinwand.
Links oben signiert und datiert. Verso betitelt "Stilleben" sowie mit "Pechstein", der Berliner Adresse des Künstlers "Durlacher Str. 14" und der Preisangabe "300" [Mark] bezeichnet. 50 x 65 cm (19,6 x 25,5 in).
• Kraftvoll leuchtendes Stillleben aus der frühen Berliner "Brücke"-Zeit.
• Was in dieser Zeit entsteht, ist wegweisend für Pechsteins expressionistische Malweise, die 1910 ihren Höhepunkt erreicht.
• Mit einem vergleichbaren Stillleben gelingt ihm im Entstehungsjahr die Teilnahme an der Frühjahrs-Ausstellung der Berliner Secession.
• Die Provenienz des Gemäldes ist Abbild der bewegten deutschen Geschichte.
• Aus der Sammlung William Landmann, Kanada.
PROVENIENZ: Sammlung Marczell von Nemes, München (bis 1930).
Nachlass Marczell von Nemes (bis 1934: Lepke).
Das Kunsthaus Herbert Tannenbaum, Mannheim (im Auftrag des Nachgenannten 1934 vom Vorgenannten erworben).
Sammlung William (Dr. Wilhelm) Landmann (1891-1987), Mannheim / Amsterdam / Toronto (vom Vorgenannten).
Sammlung Martin Landmann (1923-2021), Vancouver, Kanada (vom Vorgenannten erhalten).
Seither in Familienbesitz.
AUSSTELLUNG: Stedelijk Museum, Amsterdam (Juli 1939-1946 als Leihgabe aus der Sammlung Landmann).
European sculpture and painting from the collection of William Landmann, Toronto, Art Gallery of Ontario, Toronto, 18.10.-17.11.1946.
Für die Kunst! Herbert Tannenbaum und sein Kunsthaus. Ein Galerist – seine Künstler, seine Kunden, sein Konzept, Reiß-Museum Mannheim, 11.9.1994-8.1.1995, Kat.-Nr. 246, S. 110 (m. Farbabb. S. 90).
LITERATUR: Aya Soika, Max Pechstein. Das Werkverzeichnis der Ölgemälde, Bd. I, 1905-1918, München 2011, WVZ-Nr. 1909/3 (m. Farbabb. und SW-Abb.)
Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin, Gemälde, Bildwerke, altes Kunstgewerbe des 16. bis 18. Jahrhunderts aus einer süddeutschen Sammlung, Auktion 12.6.1934, Los 310 (m. Abb. Tafel 8).
Unterlagen zur Einlagerung / Leihgabe der Sammlung Landmann, Archiv des Stedelijk Museum Amsterdam, Ordner 707.
Unterlagen zur Einlagerung / Leihgabe der Sammlung Landmann, Archiv des Stedelijk Museum Amsterdam, Ordner 698, S. 18, lfd. Nr. 617.
Ausstellungsliste von 1946, Archiv der Art Gallery of Ontario, Toronto.
Robert Hubbard, European Paintings in Canadian Collections II, Toronto 1962, S. 160.
Öl auf Leinwand.
Links oben signiert und datiert. Verso betitelt "Stilleben" sowie mit "Pechstein", der Berliner Adresse des Künstlers "Durlacher Str. 14" und der Preisangabe "300" [Mark] bezeichnet. 50 x 65 cm (19,6 x 25,5 in).
• Kraftvoll leuchtendes Stillleben aus der frühen Berliner "Brücke"-Zeit.
• Was in dieser Zeit entsteht, ist wegweisend für Pechsteins expressionistische Malweise, die 1910 ihren Höhepunkt erreicht.
• Mit einem vergleichbaren Stillleben gelingt ihm im Entstehungsjahr die Teilnahme an der Frühjahrs-Ausstellung der Berliner Secession.
• Die Provenienz des Gemäldes ist Abbild der bewegten deutschen Geschichte.
• Aus der Sammlung William Landmann, Kanada.
PROVENIENZ: Sammlung Marczell von Nemes, München (bis 1930).
Nachlass Marczell von Nemes (bis 1934: Lepke).
Das Kunsthaus Herbert Tannenbaum, Mannheim (im Auftrag des Nachgenannten 1934 vom Vorgenannten erworben).
Sammlung William (Dr. Wilhelm) Landmann (1891-1987), Mannheim / Amsterdam / Toronto (vom Vorgenannten).
Sammlung Martin Landmann (1923-2021), Vancouver, Kanada (vom Vorgenannten erhalten).
Seither in Familienbesitz.
AUSSTELLUNG: Stedelijk Museum, Amsterdam (Juli 1939-1946 als Leihgabe aus der Sammlung Landmann).
European sculpture and painting from the collection of William Landmann, Toronto, Art Gallery of Ontario, Toronto, 18.10.-17.11.1946.
Für die Kunst! Herbert Tannenbaum und sein Kunsthaus. Ein Galerist – seine Künstler, seine Kunden, sein Konzept, Reiß-Museum Mannheim, 11.9.1994-8.1.1995, Kat.-Nr. 246, S. 110 (m. Farbabb. S. 90).
LITERATUR: Aya Soika, Max Pechstein. Das Werkverzeichnis der Ölgemälde, Bd. I, 1905-1918, München 2011, WVZ-Nr. 1909/3 (m. Farbabb. und SW-Abb.)
Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin, Gemälde, Bildwerke, altes Kunstgewerbe des 16. bis 18. Jahrhunderts aus einer süddeutschen Sammlung, Auktion 12.6.1934, Los 310 (m. Abb. Tafel 8).
Unterlagen zur Einlagerung / Leihgabe der Sammlung Landmann, Archiv des Stedelijk Museum Amsterdam, Ordner 707.
Unterlagen zur Einlagerung / Leihgabe der Sammlung Landmann, Archiv des Stedelijk Museum Amsterdam, Ordner 698, S. 18, lfd. Nr. 617.
Ausstellungsliste von 1946, Archiv der Art Gallery of Ontario, Toronto.
Robert Hubbard, European Paintings in Canadian Collections II, Toronto 1962, S. 160.
Rückkehr aus Paris und erste Erfolge in Berlin
Am 26. April des Jahres 1909 eröffnet die Berliner Secession ihre Frühjahrs-Ausstellung. Unter den ausgewählten Werken befinden sich drei Arbeiten des im Vorjahr aus Paris zurückgekehrten Malers und "Brücke"-Mitglieds Hermann Max Pechstein. Eine Landschaft, eine Aktmalerei sowie ein Stillleben werden von der Jury angenommen. Schon drei Jahre zuvor hatte Erich Heckel in Dresden die kraftvolle Malerei des jungen Pechstein entdeckt, als er 1906 für die Dresdner Kunstgewerbeausstellung ein Deckenbild in so unkonventioneller Farbigkeit malt, dass es der Auftraggeber durch graue Spritzer dämpfen ließ. Schnell wird Pechstein Mitglied in der 1905 gegründeten Künstlervereinigung "Brücke", die sich eine dem Impressionismus entgegengesetzte, aus der Kraft der Farbe kommende Malerei als Ziel gesetzt hatte und "alle revolutionären und gärenden Kräfte an sich [..] ziehen wollte" (Schmidt-Rottluff). Im Umfeld der "Brücke"-Mitglieder entwickelt Pechstein seinen expressionistischen Stil, doch schon 1907 bricht er mit einem Reisestipendium nach Italien auf. Die Eindrücke der italienischen Meister wie Giotto, Mantegna und Botticelli bestärken ihn in seinem künstlerischen Streben. In einem Brief aus Italien schreibt er, dass er in seiner Malerei "der Einfachheit, Großzügigkeit verbunden mit schöner Farbe" weiterhin nachkommen wolle. Bei seinem daran anschließenden Aufenthalt in Paris sind es vor allem die Stadt mit ihren gotischen Bauten und den Menschenansammlungen, die bleibenden Eindruck bei Pechstein hinterlassen. Doch auch die Aufbruchsstimmung der Kunstszene rund um die "Fauves", die sich ebenfalls vom Impressionismus zu befreien suchen, bleibt ihm in Paris nicht verborgen.
Geprägt von den vielfältigen Eindrücken seiner Reise kehrt Pechstein im August 1908 nach Deutschland zurück und bezieht in Berlin ein Dachatelier am Kurfürstendamm. Die alte Verbundenheit zu Heckel, Kirchner und Schmidt-Rottluff ist nach wie vor vorhanden. Gemeinsam mit einigen "Brücke"-Mitgliedern besucht er im Januar 1909 die Matisse-Ausstellung in der Galerie von Paul Cassirer. Nur wenige Monate später, im April 1909, gelingt Pechstein schließlich, was seinen Freunden der Künstlervereinigung verwehrt bleibt: Die Teilnahme an der Frühjahrs-Ausstellung der Berliner Secession. Wie er sich später selbst erinnert, vollzieht sich hier der entscheidende Durchbruch: "Das Eis war gebrochen, und meine Kunst, später von Kunstwissenschaftlern als 'Expressionismus' bezeichnet, hatte sich den Anfang des Weges errungen." (H. M. Pechstein, 1949, zit. nach: P. Thurmann/A. Soika/A. Madesta, Max Pechstein. Ein Expressionist aus Leidenschaft, München 2010, S. 280). Pechstein kann sogar zwei der ausgestellten Werke verkaufen, die Lanschaft und das Stillleben. Mit dem Erlös finanziert er im Sommer desselben Jahres seinen ersten Aufenthalt an der Kurischen Nährung in Nidden. Wohl aufgrund des Erfolgs mit seiner Landschaft und dem Stillleben wendet er sich im Jahr 1909 vermehrt diesen beiden Sujets zu. Unsere Arbeit "Stillleben mit Orangen", die rückseitig mit der Berliner Adresse in der Durlacher Str. 14 bezeichnet ist, entsteht laut Aya Soika schon im März 1909, etwa zeitgleich mit dem Stillleben, das in der Berliner Secession ausgestellt wird und heute als verschollen gilt. Auch ein Preis ist auf der Rückseite vermerkt, 300 Mark hatte sich Pechstein damals als angemessene Summe für sein Orangenstillleben vorgestellt. Ein aus heutiger Sicht unvorstellbar niedriger Preis, denn im Rückblick gilt die Phase in Berlin um 1909 als Zeit elementarer Schaffenskraft, die in den Werken von 1910 ihren Höhepunkt erreichen sollte.
Pechsteins "Stillleben mit Orangen" aus der frühen Berliner "Brücke"-Zeit
Im deutschen Expressionismus der "Brücke"-Künstler zählen Stillleben neben Akten, Landschaften, Varieté-Szenen und Bildnissen zu den zentralen Motiven. Auch Hermann Max Pechsteins Schaffen konzentriert sich auf diese Bildgattungen, wobei sich sein Malstil von seinen Künstlerkollegen jedoch durch eine größere Nähe zur tatsächlichen Erscheinung der dargestellten Szenerie beziehungsweise des Objekts auszeichnet. Im Gegensatz zu Kirchner oder Heckel bleibt Pechstein den realen Formen stärker verbunden und erzielt die expressive und ausdrucksvolle Bildwirkung vorwiegend durch den Einsatz leuchtender Farben in großzügigen, stark konturierten Kompositionen.
Entstanden unter dem unmittelbaren Eindruck der Matisse-Ausstellung in der Galerie Paul Cassirer Anfang des Jahres 1909 und den Einflüssen seiner Italien- und Frankreich-Reise, trägt das "Stillleben mit Orangen" die unbändige Kraft des jungen Künstlers und die vielfältigen Einflüsse der Entstehungszeit in sich. So schreibt Pechstein im Rückblick auf die Anfänge der Berliner Jahre: "Jetzt stürzte ich mich in meine Arbeiten. Alles drängte zur Gestaltung, was ich in mich aufgenommen hatte. Skizzen, Zeichnungen und Entwürfe quollen mir aus den Händen." (Max Pechstein, Erinnerungen, hrsg. von Leopold Reidemeister, Stuttgart 1993, S. 33). Diese Energie und Schaffenskraft ist auch in unserem Stillleben spürbar, das auf wunderbare Weise die Entwicklung betont, die Max Pechstein in dieser Zeit durchläuft, hin zu einer bahnbrechenden Straffung der Komposition und einer stringenten Farbaussage. Die dargestellten Objekte sind bereits stark auf ihre Grundformen reduziert. Den Hintergrund unterteilt Pechstein in nur zwei Bereiche, eine geblümte Tischdecke und eine in horizontalen Linien angedeutete Wand. Das Muster der Blümchendecke wird einige Zeit später in dem Gemälde "Die grüne Jacke", auch aus dem Jahr 1909, erneut auftauchen, dort jedoch als Wandbehang. Der Vergleich veranschaulicht, dass Pechstein in seinen Stillleben Objekte wiedergibt, die sich in seinem direkten Umfeld befinden und deren unmittelbaren Eindruck er auf die Leinwand bannt. Immer wieder tauchen auch in den Arbeiten der anderen "Brücke"-Künstler Objekte, Einrichtungsgegenstände und vor allem auch Stoffe und Wandbehänge auf, die sich anhand historischer Fotografien den Ateliers der Künstler zuordnen lassen. Sie lassen Rückschlüsse auf die Gemeinschaft der Künstler zu und zeugen von der künstlerischen Dynamik, in deren Umfeld sich der charakteristische "Brücke"-Stil innerhalb weniger Jahre entwickeln konnte.
Wie beeindruckend die Wirkung von Pechsteins Arbeiten von Anfang 1909 im Vergleich zu Werken andere Künstler außerhalb der "Brücke"-Gemeinschaft gewesen sein muss, wird anhand einer Erinnerung des Künstlers deutlich. So schreibt er im Rückblick auf die Ausstellung der Berliner Secession: "Am Eröffnungstag durchfuhr mich selbst ein Schreck, als ich feststellen mußte, wie stark und eindeutig meine Formensprache gegenüber dem Impressionismus sich Geltung erzwang." (Max Pechstein, Erinnerungen, Stuttgart 1993, S. 33f). [AR]
Dr. William Landmann – bewegte Geschichte einer bedeutenden Sammlung
Nur wenige der großen jüdischen Kunstsammlungen können die nationalsozialistische Diktatur geschlossen überdauern. Umso bemerkenswerter ist die Geschichte der Kunstwerke aus dem Eigentum des Dr. Wilhelm Landmann aus Mannheim. Wilhelm Landmann kommt 1891 in Schifferstadt zur Welt. Im Kreise seiner elf Geschwister gilt er stets als der „Intellektuelle“. Seine Studien der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften schließt er darum auch gleich mit zwei Doktortiteln ab. Die Studienzeit verlebt er gemeinsam mit einem nicht weniger bedeutenden Freund: Herbert Tannenbaum (1892–1958). Die Biografien beider bleiben zeitlebens eng verwoben.
Für Tannenbaum wie für Landmann wird 1920 ein Schlüsseljahr. Herbert Tannenbaum eröffnet in Mannheim seine avantgardistische Kunstgalerie „Das Kunsthaus“, aus der im kommenden Jahrzehnt auch der wesentliche Teil der Sammlung seines besten Freundes Wilhelm hervorgehen wird. Wilhelm seinerseits wird, auch dies geschieht im Jahr 1920, Teilhaber der Firma seines Bruders Paul, der renommierten „Graphischen Druckanstalt Paul Isidor Landmann“ in Mannheim. Im gleichen Sommer heiratet er Julie Herbst. Die Tochter eines bekannten Korsettfabrikanten aus Mannheim hat er während des Studiums kennengelernt.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten geraten die Landmanns – sowohl Wilhelm als auch seine Frau Julie sind jüdischer Religionszugehörigkeit – zunehmend unter Druck. Schon bald ist klar, dass sie ihre Heimat verlassen müssen. Julies Schwester lebt mit ihrem Ehemann, dem ebenfalls als Kunstsammler bekannten Otto Wachenheim, bereits seit Jahren in den Niederlanden. Das Ziel der Emigration ist damit schnell gefunden. Im Frühjahr 1936 fliehen Wilhelm, Julie und die beiden Söhne nach Amsterdam. Auch Tannenbaums folgen den Freunden zum Jahresende. Eine kleine, kunstaffine Emigrantengemeinde bildet sich in Amsterdam, auch mit den Malern Max Beckmann und Heinrich Campendonk steht man in regem Kontakt. Als Campendonk die Landmanns 1938 in ihrer Wohnung besucht, sieht er dort eine kleine Zeichnung von Franz Marc. Dieses Blatt, so erzählt er es den Landmanns, habe Marc in seiner Anwesenheit gezeichnet.
Auch zu Willem Sandberg (1897–1984), Kurator am Amsterdamer Stedelijk Museum, ab 1938 dessen stellvertretender Direktor und ein großer Förderer der Moderne, haben die Landmanns persönliche Kontakte. Er ist es, der heute als „Retter“ der Sammlung Landmann bezeichnet werden kann. Denn im Juli 1939, kurz vor Kriegsbeginn, übergibt Landmann einen Teil seiner Sammlung dem Museum als Leihgabe. Er übersiedelt nun mit seiner Familie, in dunkler Vorahnung des Kommenden, nach Toronto.
Die Namen, die auf der Übergabeliste der Werke erscheinen, bezeichnen die Koryphäen der deutschen Moderne – Nolde, Dix, Lehmbruck, Grosz, Kokoschka und andere. Auch die hier angebotenen Gemälde von Pechstein, Mueller, Schmidt-Rottluff und Hofer sind aufgeführt. Ein Teil der Sammlung Landmann wird fortan im Stedelijk Museum ausgestellt, der Rest in sichere Verwahrung genommen. Zu den hier angebotenen Gemälden ist im handschriftlichen Inventar der Familie Landmann notiert, dass sie in Amsterdam ausgestellt gewesen seien.
Im Stedelijk Museum kann die Sammlung Landmann die Kriegsjahre in sicherem Schutz überdauern. 1946 erhält Wilhelm Landmann, der sich fortan William nennt, seine Bilder und Skulpturen zurück. Von einigen Werken trennt er sich in der Folge – das Gemälde „Metropolis“ (Großstadt) von George Grosz etwa verkauft er 1946 dem bereits damals hochrenommierten Museum of Modern Art in New York, wo es sich noch heute befindet. Andere Kunstwerke aber behält er in seiner Sammlung, die in den folgenden Jahren mehrfach in der Art Gallery of Ontario in Toronto ausgestellt wird. [AT]
Am 26. April des Jahres 1909 eröffnet die Berliner Secession ihre Frühjahrs-Ausstellung. Unter den ausgewählten Werken befinden sich drei Arbeiten des im Vorjahr aus Paris zurückgekehrten Malers und "Brücke"-Mitglieds Hermann Max Pechstein. Eine Landschaft, eine Aktmalerei sowie ein Stillleben werden von der Jury angenommen. Schon drei Jahre zuvor hatte Erich Heckel in Dresden die kraftvolle Malerei des jungen Pechstein entdeckt, als er 1906 für die Dresdner Kunstgewerbeausstellung ein Deckenbild in so unkonventioneller Farbigkeit malt, dass es der Auftraggeber durch graue Spritzer dämpfen ließ. Schnell wird Pechstein Mitglied in der 1905 gegründeten Künstlervereinigung "Brücke", die sich eine dem Impressionismus entgegengesetzte, aus der Kraft der Farbe kommende Malerei als Ziel gesetzt hatte und "alle revolutionären und gärenden Kräfte an sich [..] ziehen wollte" (Schmidt-Rottluff). Im Umfeld der "Brücke"-Mitglieder entwickelt Pechstein seinen expressionistischen Stil, doch schon 1907 bricht er mit einem Reisestipendium nach Italien auf. Die Eindrücke der italienischen Meister wie Giotto, Mantegna und Botticelli bestärken ihn in seinem künstlerischen Streben. In einem Brief aus Italien schreibt er, dass er in seiner Malerei "der Einfachheit, Großzügigkeit verbunden mit schöner Farbe" weiterhin nachkommen wolle. Bei seinem daran anschließenden Aufenthalt in Paris sind es vor allem die Stadt mit ihren gotischen Bauten und den Menschenansammlungen, die bleibenden Eindruck bei Pechstein hinterlassen. Doch auch die Aufbruchsstimmung der Kunstszene rund um die "Fauves", die sich ebenfalls vom Impressionismus zu befreien suchen, bleibt ihm in Paris nicht verborgen.
Geprägt von den vielfältigen Eindrücken seiner Reise kehrt Pechstein im August 1908 nach Deutschland zurück und bezieht in Berlin ein Dachatelier am Kurfürstendamm. Die alte Verbundenheit zu Heckel, Kirchner und Schmidt-Rottluff ist nach wie vor vorhanden. Gemeinsam mit einigen "Brücke"-Mitgliedern besucht er im Januar 1909 die Matisse-Ausstellung in der Galerie von Paul Cassirer. Nur wenige Monate später, im April 1909, gelingt Pechstein schließlich, was seinen Freunden der Künstlervereinigung verwehrt bleibt: Die Teilnahme an der Frühjahrs-Ausstellung der Berliner Secession. Wie er sich später selbst erinnert, vollzieht sich hier der entscheidende Durchbruch: "Das Eis war gebrochen, und meine Kunst, später von Kunstwissenschaftlern als 'Expressionismus' bezeichnet, hatte sich den Anfang des Weges errungen." (H. M. Pechstein, 1949, zit. nach: P. Thurmann/A. Soika/A. Madesta, Max Pechstein. Ein Expressionist aus Leidenschaft, München 2010, S. 280). Pechstein kann sogar zwei der ausgestellten Werke verkaufen, die Lanschaft und das Stillleben. Mit dem Erlös finanziert er im Sommer desselben Jahres seinen ersten Aufenthalt an der Kurischen Nährung in Nidden. Wohl aufgrund des Erfolgs mit seiner Landschaft und dem Stillleben wendet er sich im Jahr 1909 vermehrt diesen beiden Sujets zu. Unsere Arbeit "Stillleben mit Orangen", die rückseitig mit der Berliner Adresse in der Durlacher Str. 14 bezeichnet ist, entsteht laut Aya Soika schon im März 1909, etwa zeitgleich mit dem Stillleben, das in der Berliner Secession ausgestellt wird und heute als verschollen gilt. Auch ein Preis ist auf der Rückseite vermerkt, 300 Mark hatte sich Pechstein damals als angemessene Summe für sein Orangenstillleben vorgestellt. Ein aus heutiger Sicht unvorstellbar niedriger Preis, denn im Rückblick gilt die Phase in Berlin um 1909 als Zeit elementarer Schaffenskraft, die in den Werken von 1910 ihren Höhepunkt erreichen sollte.
Pechsteins "Stillleben mit Orangen" aus der frühen Berliner "Brücke"-Zeit
Im deutschen Expressionismus der "Brücke"-Künstler zählen Stillleben neben Akten, Landschaften, Varieté-Szenen und Bildnissen zu den zentralen Motiven. Auch Hermann Max Pechsteins Schaffen konzentriert sich auf diese Bildgattungen, wobei sich sein Malstil von seinen Künstlerkollegen jedoch durch eine größere Nähe zur tatsächlichen Erscheinung der dargestellten Szenerie beziehungsweise des Objekts auszeichnet. Im Gegensatz zu Kirchner oder Heckel bleibt Pechstein den realen Formen stärker verbunden und erzielt die expressive und ausdrucksvolle Bildwirkung vorwiegend durch den Einsatz leuchtender Farben in großzügigen, stark konturierten Kompositionen.
Entstanden unter dem unmittelbaren Eindruck der Matisse-Ausstellung in der Galerie Paul Cassirer Anfang des Jahres 1909 und den Einflüssen seiner Italien- und Frankreich-Reise, trägt das "Stillleben mit Orangen" die unbändige Kraft des jungen Künstlers und die vielfältigen Einflüsse der Entstehungszeit in sich. So schreibt Pechstein im Rückblick auf die Anfänge der Berliner Jahre: "Jetzt stürzte ich mich in meine Arbeiten. Alles drängte zur Gestaltung, was ich in mich aufgenommen hatte. Skizzen, Zeichnungen und Entwürfe quollen mir aus den Händen." (Max Pechstein, Erinnerungen, hrsg. von Leopold Reidemeister, Stuttgart 1993, S. 33). Diese Energie und Schaffenskraft ist auch in unserem Stillleben spürbar, das auf wunderbare Weise die Entwicklung betont, die Max Pechstein in dieser Zeit durchläuft, hin zu einer bahnbrechenden Straffung der Komposition und einer stringenten Farbaussage. Die dargestellten Objekte sind bereits stark auf ihre Grundformen reduziert. Den Hintergrund unterteilt Pechstein in nur zwei Bereiche, eine geblümte Tischdecke und eine in horizontalen Linien angedeutete Wand. Das Muster der Blümchendecke wird einige Zeit später in dem Gemälde "Die grüne Jacke", auch aus dem Jahr 1909, erneut auftauchen, dort jedoch als Wandbehang. Der Vergleich veranschaulicht, dass Pechstein in seinen Stillleben Objekte wiedergibt, die sich in seinem direkten Umfeld befinden und deren unmittelbaren Eindruck er auf die Leinwand bannt. Immer wieder tauchen auch in den Arbeiten der anderen "Brücke"-Künstler Objekte, Einrichtungsgegenstände und vor allem auch Stoffe und Wandbehänge auf, die sich anhand historischer Fotografien den Ateliers der Künstler zuordnen lassen. Sie lassen Rückschlüsse auf die Gemeinschaft der Künstler zu und zeugen von der künstlerischen Dynamik, in deren Umfeld sich der charakteristische "Brücke"-Stil innerhalb weniger Jahre entwickeln konnte.
Wie beeindruckend die Wirkung von Pechsteins Arbeiten von Anfang 1909 im Vergleich zu Werken andere Künstler außerhalb der "Brücke"-Gemeinschaft gewesen sein muss, wird anhand einer Erinnerung des Künstlers deutlich. So schreibt er im Rückblick auf die Ausstellung der Berliner Secession: "Am Eröffnungstag durchfuhr mich selbst ein Schreck, als ich feststellen mußte, wie stark und eindeutig meine Formensprache gegenüber dem Impressionismus sich Geltung erzwang." (Max Pechstein, Erinnerungen, Stuttgart 1993, S. 33f). [AR]
Dr. William Landmann – bewegte Geschichte einer bedeutenden Sammlung
Nur wenige der großen jüdischen Kunstsammlungen können die nationalsozialistische Diktatur geschlossen überdauern. Umso bemerkenswerter ist die Geschichte der Kunstwerke aus dem Eigentum des Dr. Wilhelm Landmann aus Mannheim. Wilhelm Landmann kommt 1891 in Schifferstadt zur Welt. Im Kreise seiner elf Geschwister gilt er stets als der „Intellektuelle“. Seine Studien der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften schließt er darum auch gleich mit zwei Doktortiteln ab. Die Studienzeit verlebt er gemeinsam mit einem nicht weniger bedeutenden Freund: Herbert Tannenbaum (1892–1958). Die Biografien beider bleiben zeitlebens eng verwoben.
Für Tannenbaum wie für Landmann wird 1920 ein Schlüsseljahr. Herbert Tannenbaum eröffnet in Mannheim seine avantgardistische Kunstgalerie „Das Kunsthaus“, aus der im kommenden Jahrzehnt auch der wesentliche Teil der Sammlung seines besten Freundes Wilhelm hervorgehen wird. Wilhelm seinerseits wird, auch dies geschieht im Jahr 1920, Teilhaber der Firma seines Bruders Paul, der renommierten „Graphischen Druckanstalt Paul Isidor Landmann“ in Mannheim. Im gleichen Sommer heiratet er Julie Herbst. Die Tochter eines bekannten Korsettfabrikanten aus Mannheim hat er während des Studiums kennengelernt.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten geraten die Landmanns – sowohl Wilhelm als auch seine Frau Julie sind jüdischer Religionszugehörigkeit – zunehmend unter Druck. Schon bald ist klar, dass sie ihre Heimat verlassen müssen. Julies Schwester lebt mit ihrem Ehemann, dem ebenfalls als Kunstsammler bekannten Otto Wachenheim, bereits seit Jahren in den Niederlanden. Das Ziel der Emigration ist damit schnell gefunden. Im Frühjahr 1936 fliehen Wilhelm, Julie und die beiden Söhne nach Amsterdam. Auch Tannenbaums folgen den Freunden zum Jahresende. Eine kleine, kunstaffine Emigrantengemeinde bildet sich in Amsterdam, auch mit den Malern Max Beckmann und Heinrich Campendonk steht man in regem Kontakt. Als Campendonk die Landmanns 1938 in ihrer Wohnung besucht, sieht er dort eine kleine Zeichnung von Franz Marc. Dieses Blatt, so erzählt er es den Landmanns, habe Marc in seiner Anwesenheit gezeichnet.
Auch zu Willem Sandberg (1897–1984), Kurator am Amsterdamer Stedelijk Museum, ab 1938 dessen stellvertretender Direktor und ein großer Förderer der Moderne, haben die Landmanns persönliche Kontakte. Er ist es, der heute als „Retter“ der Sammlung Landmann bezeichnet werden kann. Denn im Juli 1939, kurz vor Kriegsbeginn, übergibt Landmann einen Teil seiner Sammlung dem Museum als Leihgabe. Er übersiedelt nun mit seiner Familie, in dunkler Vorahnung des Kommenden, nach Toronto.
Die Namen, die auf der Übergabeliste der Werke erscheinen, bezeichnen die Koryphäen der deutschen Moderne – Nolde, Dix, Lehmbruck, Grosz, Kokoschka und andere. Auch die hier angebotenen Gemälde von Pechstein, Mueller, Schmidt-Rottluff und Hofer sind aufgeführt. Ein Teil der Sammlung Landmann wird fortan im Stedelijk Museum ausgestellt, der Rest in sichere Verwahrung genommen. Zu den hier angebotenen Gemälden ist im handschriftlichen Inventar der Familie Landmann notiert, dass sie in Amsterdam ausgestellt gewesen seien.
Im Stedelijk Museum kann die Sammlung Landmann die Kriegsjahre in sicherem Schutz überdauern. 1946 erhält Wilhelm Landmann, der sich fortan William nennt, seine Bilder und Skulpturen zurück. Von einigen Werken trennt er sich in der Folge – das Gemälde „Metropolis“ (Großstadt) von George Grosz etwa verkauft er 1946 dem bereits damals hochrenommierten Museum of Modern Art in New York, wo es sich noch heute befindet. Andere Kunstwerke aber behält er in seiner Sammlung, die in den folgenden Jahren mehrfach in der Art Gallery of Ontario in Toronto ausgestellt wird. [AT]
123001689
Hermann Max Pechstein
Stillleben mit Orangen, 1909.
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