Auktion: 525 / Evening Sale am 10.12.2021 in München Lot 257


257
Jonas Burgert
Verräter, 2005.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 106.250

(inklusive Aufgeld)
Verräter. 2005.
Öl auf Leinwand.
Verso zweifach signiert, datiert und betitelt. 300 x 280 cm (118,1 x 110,2 in).
[SM].
• Imposante großformatige Arbeit in der typischen fabelhaften Bildsprache Burgerts.
• Jonas Burgert gilt als Meister der neuen Figuration und als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler Deutschlands.
• Die Kunsthalle Tübingen widmet Burgert 2010 die erste museale Einzelaustellung, in der auch "Verräter" gezeigt wird
.

PROVENIENZ: Produzentengalerie Hamburg.
Sammlung Prof. Dr. Olbricht, Essen.
Privatsammlung Deutschland.

AUSSTELLUNG: Jonas Burgert. Lebendversuch, Kunsthalle Tübingen, 11.12.2010-6.3.2011; Kunsthalle Krems, 27.3.-13.6.2011, Ausst.-Kat. mit Abb. S. 93.

LITERATUR: Axel Heil, Wolfgang Schoppmann, Most wanted - The Olbricht Collection, some recent acquisitions, Köln 2005, S. 221, Abb. S. 68.
"Ich will nicht den Zeitgeist illustrieren, sondern Zeitloses malen. Ich muss immer groß malen, klein geht nicht. Ich will Erkennbarkeit, nicht Naturalismus. Darum benutze ich Gestalten und Dinge von überall auf der Welt, da gibt es den römischen Kaiser und den Eskimo, den indischen Guru und den schwarzen Sklaven. Das mag historisch oder mystisch wirken. Aber eigentlich male ich das alles nur symbolisch, denn die Probleme der Menschen früher sind noch immer die der Menschen heute."
Jonas Burgert

Jonas Burgerts Bilderwelt geht einher mit dem Prinzip der Collage: die Kombination von bereits bestehenden Ansichten und Materialien, deren Veränderung und Herauslösung aus ihrem ursprünglichen Sinnzusammenhang. Mit ihren aus Versatzstücken komponierten Gefügen verändern sich auch Realitäten und inhaltliche Beziehungen. Figuren, Tiere und Gegenstände in unterschiedlichen Größenverhältnissen werden so miteinander in ein Verhältnis gesetzt. Was hat die Figur zu tun? Tritt sie in einen Dialog? Es entstehen Verbindungen von Disparatem. Es werden Dinge ausgetauscht und wie selbstverständlich neu zusammengestellt. In einer Bildarchitektur werden sie in direkte Beziehung gebracht, einzelne Realitäten wachsen zu szenischen Gefügen und ermöglichen eine vermeintliche Lesbarkeit des Motivs. Jonas Burgert nutzt in seinem Werk von Beginn an das innerste Wesen der Collage: das Zitat. Er zitiert aus verschiedensten Quellen, entwurzelt seine Fundstücke aus deren ursprünglichem Zusammenhang, überführt sie in ihre eigene künstlerische Technik und schafft so die Illusion eines inneren Zusammenhanges. Burgert, dies sei unterstellt, nutzt die Bildcollage, um verblüffende, seltsame und vielleicht auch von anderen inspirierte Verbindungen bildhaft umzusetzen. Aber gleichzeitig provoziert Burgert beim Betrachter Haltlosigkeit und nimmt Unlesbarkeit in Kauf. Trügerisch ist, dass Burgert Bildelemente inszeniert, die wir in unserem kollektiven Bildgedächtnis längst gespeichert haben, und damit womöglich den Wunsch in uns auslöst nach Dechiffrierung des Bilderrätsels, der ikonografischen Herleitung des Motivs oder den Gründen für seine ästhetische Implikation. Burgerts Bilder machen ungemein neugierig! So treffen wir in „Verräter“ auf einen hockenden Affen, einen Schimpansen, der weit oben rechts in diesem großen Format auf einem Mauervorsprung Platz genommen hat. Er trägt kreuzweise gelb-orange Schärpen mit Kreuzmotiven, sitzt auf einem fein gemusterten Tuch. Sein Maul ist weit aufgerissen, als würde ihm einer dieser herzzerreißenden Schreie entweichen, die durch den Urwald hallen. Links von dem Affen entwickelt Burgert eine Jagdszene mit Pfeil und Bogen und platziert weitere Dinge auf dem schmalen Podium. Der Schimmer einer halben Rosette schließt gleichsam den Bereich der oberen Bühne. Die ‚große‘ Wand darunter beklebt der Künstler wie eine Plakatwand, erzeugt mit ornamentalen Kritzeleien einen Schauplatz, der offen ist für viele Interpretationen. Autonome Bildelemente werden also in Bezug gebracht und erhalten eine andere Bedeutung. Eine Bedeutung, die über das Grundsätzliche hinausführt in eine bildhafte Illusion. Ähnlichkeit und Erinnerung werden bewusst eingesetzt, um den Betrachter zu fesseln, ihn glauben zu machen, er könne das Gesehene entziffern und deuten, er könne den alten Ort, die Quelle für den neuen Auftritt erinnern. Burgert übernimmt das Motiv. Er hat es von anderen zusammenhängenden Gefügen gesäubert und in eine neue Kombinatorik von Bildgedanken eingefügt. So gibt es sehr wohl auch einen kausalen Zusammenhang in den Bildern Burgerts, welcher sich nicht nur nach den inhaltlichen Komplexitäten ausrichten lässt, sondern vor allem durch das intensiv malerische Bildmuster zusammengehalten wird. Hier werden Rollenverhalten und Realitätsbezug vom Künstler dominant eingesetzt und erfahren erst in der Inszenierung von Gleichzeitigkeit und von Zufällen ihr absurdes, bisweilen banal wirkendes Dasein. Die Frage nach der Realität, nach historischer Herleitung, nach dem Beschreibbaren des Inhalts beantwortet er nicht. Sie bleiben Geheimnis des Künstlers. Und das bewegt uns! [MvL]



257
Jonas Burgert
Verräter, 2005.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 106.250

(inklusive Aufgeld)