Auktion: 489 / Evening Sale am 07.06.2019 in München Lot 97


97
Ernst Wilhelm Nay
Der Abendruf, 1942.
Öl auf Malpappe
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 65.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Der Abendruf. 1942.
Öl auf Malpappe.
Scheibler 297. Rechts unten signiert und datiert sowie verso signiert, datiert und betitelt. 23,8 x 31,5 cm (9,3 x 12,4 in).
Das Werk ist in der 1944 von Nays Kriegskamerad Dr. Hans Lühdorf erstellten Werkliste (Lühdorf-Aufstellung) der zwischen 1940 und 1944 in Frankreich entstandenen Arbeiten unter der Nummer 23 mit dem Titel "Frau in goldener Landschaft" verzeichnet.
• Eines der seltenen Frankreich-Bilder.
• Umfassende Ausstellungshistorie.
• Guter Erhaltungszustand
.

PROVENIENZ: Sammlung Günther Franke, München (bis 1976).
Privatsammlung Rheinland.

AUSSTELLUNG: E. W. Nay (Retrospektive), Haus am Waldsee, Berlin 17.5.-15.6.1952, Kat.-Nr. 66.
E. W. Nay (Retrospektive), Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf 9.1.-15.2.1959, Kat.-Nr. 29 (verso mit dem Ausstellungsetikett).
Sammlung Günther Franke, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München 9.9.-20.11.1960, Kat.-Nr. 480.
Ernst Wilhelm Nay. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Graphik 1935-1960, Fränkische Galerie, Nürnberg 10.1. bis Mitte Februar 1961.
50 Jahre Galerie Günther Franke. Nay - Bilder, Aquarelle, Gouachen, Zeichnungen, Graphik aus der Sammlung und Galerie Günther Franke, Galerie Günther Franke, München, Kat.-Nr. 1 (mit Farbabb., S. 71).

LITERATUR: Karl & Faber, München, 194. Auktion, Kunst Alter und Neuer Meister, 2.12.1997, Lot 815 (mit Farbabb.).
"Jene Bilder aus dem Krieg waren eigentlich etwas Einmaliges in meiner Kunst. Sie waren aus persönlichen Erlebnissen entstanden, an die ich mich klammerte, da ich alles andere nicht verstehen konnte, eine Konstellation, die es in meiner Kunst sonst nie gab."
E. W. Nay, zit. nach: Aurel Scheibler, E. W. Nay. Werkverzeichnisse der Ölgemälde, Bd. I, 1922-1951, S. 198.

In der Zeit des Zweiten Weltkriegs verändern sich die Lebensumstände E. W. Nays grundlegend. Als Infanteriesoldat ist er ab 1940 in Südfrankreich stationiert, später in dem kleinen Örtchen Auray in der Bretagne. 1942 holt ihn der ebenfalls in Frankreich stationierte, mittlerweile befreundete Kunstsammler Hans Lühdorf (1910-1983) als Kartenzeichner nach Le Mans, kurz bevor Nays Regiment nach Russland abkommandiert wird. Der Aufenthalt in Frankreich beeindruckt den Künstler nachhaltig. Nicht nur die Bedrohung des Krieges, sondern auch die Schönheit der zuvor fremden Landschaft und die innige Liebesbeziehung zu einer Französin entfalten eine große Wirkung. Während er in Deutschland als "entarteter" Künstler verfemt wird, werden ihm in Frankreich Freundlichkeit, Unterstützung und intellektuelle Wertschätzung zuteil. So stellt ihm der französische Amateurbildhauer Pierre de Térouanne für die dienstfreie Zeit sein Atelier zur Verfügung, in dem sich Nay in die Arbeit an neuen Gouachen und kleinformatigen Ölbildern vertiefen kann. Die hier angebotene Arbeit entsteht 1942 und weiß die Besonderheit dieser in Frankreich entstehenden Arbeiten beispielhaft zu verdeutlichen. Elisabeth Nay-Scheibler bezeichnet diese "Frankreich-Bilder" im Werkverzeichnis der Ölgemälde als einen "Zyklus von Gouachen und kleineren Ölbildern, die in ihrer malerischen Dichte und miniaturhaften Kostbarkeit potenziert ein Stück Freiheit seines beengten Daseins zum Ausdruck bringen." (E. Nay-Scheibler, S. 198). Der Künstler kann den künstlerischen Tatendrang auch in seiner damals außergewöhnlichen, sehr schwierigen Kriegs-Situation nicht unterdrücken, seine kreative Energie bricht sich Bahn und wird auf Papier und Leinwand gebannt. Erlebtes wird verarbeitet und festgehalten. "Trotz aller Einschränkung aufgrund der äußeren Umstände oder fehlender Materialien hat Nay in diesen Jahren bedeutende Schritte in seiner Kunst gewagt - sowohl hinsichtlich der Bildstruktur als auch besonders in der Behandlung der Farbe." (Siegfried Gohr, ebd., S. 14). Diese Neuerungen finden sich beispielsweise in den in üppige Landschaften platzierten Figuren, die nun häufig - wie in der vorliegenden Arbeit - mit kräftig-roten Akzenten ausstaffiert werden. Innerhalb der mosaikhaften Gesamtkomposition beleuchtet das Rot die stark gefühlsmäßig oder erotisch besetzten Bilddetails - ein möglicher Hinweis auf das Gefühlsleben des Künstlers zu ebendieser Zeit in Frankreich. Aber auch die meist extremen Körperhaltungen und expressiven Gesten der rätselhaften Figuren sind neue, für Nays gesamtes Œuvre wegweisende Elemente einer Körpersprache, die nicht nur in den Arbeiten der Hekate-Phase, sondern auch in den fugalen Bildern der späten 1940er und frühen 50er Jahre weiter nachwirken werden. [CH]



97
Ernst Wilhelm Nay
Der Abendruf, 1942.
Öl auf Malpappe
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 65.000

(inkl. Käuferaufgeld)