"Beethoven brachte die Som(m)ermonate alljährlich auf dem Lande zu, wo er unter dem azurblauen Him(m)elszelte am liebsten und erfolgreichsten componirte. Einmal miethete er sich in dem romantischen Mödling ein, um die oesterreichische Schweitz, den pittoresken Briel, recht nach Herzenslust genießen zu kön(n)en. Es wurde also ein vierspän(n)iger Lastwagen mit wenig Mobilien zwar, dagegen aber mit einer ungeheuren Wucht von Musikalien befrachtet; die turmhohe Maschine setzte sich langsam in Bewegung, und der Besitzer dieser Schätze marschirte sodan(n) vergnügt, per pedes Apostulorum, voraus. Kaum ausserhalb der Linien, zwischen blühenden, vom sanften Zephir wellenförmig bewegt sich schaukelnden Kornfeldern, unter dem Jubelsang schwirrender Lerchen ... erwachte schon der Geist; Ideen durchkreutzten sich, wurden ausgespon(n)en, geordnet, mit der Bleyfeder notirt, und rein vergessen war nunmehr auch der Wanderung Zweck und Ziel. Die Götter wissen, wo sich unser Meister in der ganzen, langen Zwischenzeit herumgetrieben haben mag; genug, er langte erst mit einbrechender Däm(m)erung schweißtriefend, staubbedeckt, hungrig, durstig, und todmüde in seinem erwählten Tusculum an. Aber, hilf Him(m)el! welch greulicher Spectakel wartete dort seiner ..."

"Im Dirigieren durfte unser Meister keineswegs als Musterbild aufgestellt werden, und das Orchester mußte wohl Acht haben, um sich nicht von seinem Mentor irre leiten zu lassen; denn er hatte nur Sinn für seine Tondichtung, und war unablässig bemüht, durch die mannigfaltigen Gesticulationen den intendirten Ausdruck zu bezeichnen. So schlug er oft bey einer starken Stelle nieder, sollte es auch im schlechten Tactteile seyn. Das Diminuende pflegte er dadurch zu markiren, daß er immer kleiner wurden, und beim pianissimo, so zu sagen, unter das Tactirpult schlüpfte. So wie die Tonmassen anschwellten, wuchs auch er wie aus einer Versenkung empor, und mit dem Eintritt der gesammten Instrumentalkraft wurde er, auf den Zehenspitzen sich erhebend, fast riesengroß, und schien, mit den Armen wellenförmig rudernd, zu den Wolken hinaufschweben zu wollen. Alles war in regsamster Thätigkeit, kein organischer Theil müßig und der ganze Mensch einem perpetuum mobile vergleichbar ..."

Geschrieben auf Blanko-Formularen des Wiener Theaters (Orchester-Rapport) und blauen Makulaturblättern der von Seyfried mitherausgegebenen Zeitschrift Caecilia. - Sehr seltenes Dokument der Beethoven-Literatur.
Autographed manuscript on Ludwig van Beethoven by the composer and music author Ignaz von Seyfried, containing the nearly complete chapter 'Charakterzüge und Anecdoten' from the appendix of the collection 'Ludwig van Beethovens Studien im Generalbasse' which Seyfried edited in 1832. This vivid and entertaining description of his personality and character is the first extensive portrayal and an important source for his biography. Written on blank forms of the Vienna Theatre and blue maculature paper of the magazine 'Caecilia', together 13 pages. Very rare document of Beethoven literature.