Auktion: 530 / Evening Sale / Sammlung Hermann Gerlinger am 10.06.2022 in München Lot 47

 

47
Hermann Nitsch
Schüttbild, 1963.
Rote Dispersion auf dünn grundiertem Sackleinen
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 300.000

(inklusive Aufgeld)
Schüttbild. 1963.
Rote Dispersion auf dünn grundiertem Sackleinen.
Auf dem Keilrahmen signiert und datiert. 105 x 80 cm (41,3 x 31,4 in).

• Frühes, energiegeladenes Zeugnis von Nitschs legendärer Aktionskunst.
• Nitschs berühmte "Schüttbilder" haben meist die Farbe des Blutes: Rot!
• Erst im Februar dieses Jahres wurde der nun verstorbene Künstler von der renommierten Pace Gallery unter Vertrag genommen.
• Nitsch gilt als Hauptvertreter des Wiener Aktionismus, seine berühmten "Schüttbilder" befinden sich in bedeutenden internationalen Sammlungen, darunter das Museum of Modern Art, New York, die Tate Liverpool und die Albertina in Wien
.

PROVENIENZ:
Galerie Fred Jahn, München.
Duerckheim Collection (vom Vorgenannten erworben, seitdem in Familienbesitz).


"Ich sage immer wieder: Meine Malerei ist die visuelle Grammatik meiner Intention auf der Bildfläche."

Hermann Nitsch. Interview mit Rudolf Stoert, Kunstforum 1991, S. 272f.

Unsere Arbeit von Hermann Nitsch stammt aus den wichtigen frühen Jahren seines Oeuvres. Damals wurde er stark kritisiert und angegriffen. Seine exzessive Malweise, seine Aufführungen des "Orgien-Mysterien-Theaters" haben damals zu Anfeindungen, mehrfachen Verurteilungen und zu mehrtägigen Arresten geführt. Der Ende April diesen Jahres im Alter von 83 Jahren verstorbene, weltweit hoch angesehene Künstler hatte noch einen vollen Terminkalender für dieses Jahr, was das immense Interesse und die große Anerkennung seiner Kunst zeigt. Auf der diesjährigen Biennale in Venedig wird mit "Hermann Nitsch's Painting Action" eine große Einzelschau des Künstlers zu sehen sein. Die auf der Biennale gezeigten Werke gehen auf eine Performance in der Wiener Secession 1987 zurück, nun sind sie als Komplex in Venedig zu sehen.

Seit Mitte der 1950er Jahre entwickelt Hermann Nitsch eine ganz eigene, neue Kunstform. Musik, Literatur und Kunst verschmelzen zu einem alle Sinne ansprechenden Gesamtkunstwerk in dem von ihm geschaffenen, oftmals mehrtägig gefeierten "Orgien-Mysterien-Theaters". Im weiteren entwickelt Hermann Nitsch aus diesen Aufführungen seine eigene Variante des Informel: das Schüttbild. Dabei ist die Aktion des Schüttens ein künstlerischer Vorgang und das Ergebnis ein gesteuerter Zufall. Zugleich ist das Fließen der Farben bei Nitsch auch immer Teil einer kultischen Handlung, die durchaus sakrale Assoziationen hervorruft. Die Farbe Rot steht für Blut, wie er es in seinen Aufführungen teilweise auch verwendet; denn Blut ist das eigentliche und alleinige Medium, das die orgiastisch-mystische Vision des Künstlers transportieren kann. Als Bildträger wird vorrangig, und so auch hier, Rupfen verwendet, der in seiner Unregelmäßigkeit und Grobheit etwas Archaisches hat. Diese ursprüngliche Leinwand protokolliert das künstlerische Ergebnis einer malerischen Aktion mit dem elementar Menschlichen. Nach dem Schüttvorgang greift der Künstler noch manuell in die verlaufende Farbe ein. Diese Eingriffe des Künstlers sind bisweilen noch durch Fußabdrücke oder wie hier auf unserem ausdrucksstarken Schüttbild von 1963 durch Handabdrücke auf der linken Seite der nach hinten umgeschlagenen Leinwand nachzuvollziehen. [EH]



47
Hermann Nitsch
Schüttbild, 1963.
Rote Dispersion auf dünn grundiertem Sackleinen
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 300.000

(inklusive Aufgeld)