Auktion: 528 / Klassische Moderne am 11.06.2022 in München Lot 407

 

407
Wilhelm Lehmbruck
Badendes Mädchen (Kleinere Version), 1902/1905.
Bronze mit schwarzbrauner Patina
Schätzung:
€ 18.000
Ergebnis:
€ 75.000

(inklusive Aufgeld)
Badendes Mädchen (Kleinere Version). 1902/1905.
Bronze mit schwarzbrauner Patina.
Vgl. Schubert 12a B. Auf der Plinthe hinten mit dem Namenszug "W. Lehmbruck Df.", rückseitig auf der Kante der Plinthe mit dem Gießerstempel "DÜSSELDF.BRONCEBILDGIESSEREI G.M.B.H". Eines von 6 bekannten Exemplaren. 42 x 25 x 22 cm (16,5 x 9,8 x 8,6 in).
Gegossen wohl zwischen 1906-1914. [KT].
• Renommierte Provenienz: Exemplar aus der bedeutenden Sammlung Kohl-Weigand
• Besonders qualitätvoller Guss, erkennbar in den fein gearbeiteten Details insbesondere der zierlichen und zugleich kraftvollen Fußpartie
• Die kleine Badende gehört zu den frühesten Plastiken Lehmbrucks - deutlich zeigt sich seine bildhauerische Antwort auf die klassische und ruhende Eleganz der Skulpturen Aristide Maillols
• Lehmbruck vereint hier ein klassisches Formideal der Proportionen mit einer vom Jugendstil beeinflussten Grazie der Linienführung
• In der Torsion des Körpers lassen sich bereits expressionistische Tendenzen vorausahnen, mit denen Lehmbruck zu einem der bedeutendsten Bildhauer der deutschen klassischen Moderne wird
.

Wir danken Herrn Prof. Dr. Dietrich Schubert, Universität Heidelberg, für die freundliche wissenschaftliche Beratung.

PROVENIENZ: Sammlung Franz-Josef Kohl-Weigand (1900-1972), Saarland (unter der Plinthe mit dem Etikett).
Privatsammlung Schleswig-Holstein (aus Familienbesitz erhalten).


"Skulptur ist das Wesen der Dinge, das Wesen der Natur, das, was ewig menschlich ist."

Wilhelm Lehmbruck, zit. nach: www.staatsgalerie.de/ausstellungen/wilhelm-lehmbruck.html

1901 nimmt der junge Wilhelm Lehmbruck sein Studium in der Bildhauerklasse an der Düsseldorfer Kunstakademie auf. Gerade um diese Zeit stehen der Bildhauerei genauso wie der Malerei Umbrüche bevor, deren Anzeichen sich auch in Lehmbrucks Schaffen bereits wahrnehmen lassen. Große Bildhauer wie Auguste Rodin, Jules Dalou und in Deutschland Adolf von Hildebrand setzen einer naturalistischen und genrehaften Auffassung eine Herangehensweise entgegen, die auch der Plastik ihre autonome künstlerische Aussagekraft zugesteht. Die Badende entsteht als eines der ersten plastischen Werke Lehmbrucks, das große öffentliche Beachtung erfährt und 1905 in der ausgeführten Bronzeversion als erstes seiner Werke von der Kunstakademie Düsseldorf erworben wird. Lehmbruck präsentiert die Badende ebenso sehr erfolgreich 1906 bei der Deutschen Kunstausstellung in der Kölner „Flora“ sowie 1907 im Salon der Société nationale in Paris, das er in diesem Jahr erstmals besucht. Ebenso entsteht um 1902 eine etwas kleinere Version der Badenden, die Lehmbruck ab 1905-06 in Bronze ausführt; erste Güsse gibt er bei der Düsseldorfer Broncegießerei (ehemals Förster & Kracht) in Auftrag. Die große Handwerkskunst dieser Werkstätten trägt zu den besonders qualitätvollen Güssen der Frühzeit bei. Dies zeigen vor allem die feinen Details in der Ausführung delikater und kleinteiliger Partien wie der Hände und Füße, die präszise und formvollendet gearbeitet sind. Lehmbrucks Interesse an der Einzelfigur, die im Grunde das Zentrum seiner gesamten anschließenden künstlerischen Suche ist, führt bereits in dieser ersten Plastik zu einer raffinierten und trotz der inhärenten Spannung harmonisch ausgewogenen Formfindung. In der natürlichen Pose, die sich durch die Biegung des Rückens und der Torsion des Körpers eine gewisse Spontaneität und Dynamik vereint, treffen die graziösen Linien des Jugendstils und das wohlproportionierte Ideal eines neuen Klassizismus im Sinne der Frauengestalten Aristide Maillols aufeinander. Lehmbruck vermeidet jedoch dessen Statik, versetzt den Körper in Drehung und Bewegungen, die in verschiedenen Richtungen, nach oben und unten, in den Raum eingreifen. Erste expressionistische Anklänge könnte man in der Spitze und der eckigen Form des nach oben weisenden, in die Taille gestützten Armes vermuten, die die Weichheit und Eleganz der Linienführung kontrastiert. So darf die Badende, deren kleinere Version Lehmbruck sicherlich auch wegen des großen Erfolgs und seiner künstlerischen Überzeugtheit anfertigen lässt, als verheißungsvollstes Frühwerk gelten, mit dem er selbstbewusst die Bühne der Öffentlichkeit betritt und sich mit den Größen seiner Zeit zu messen bereit ist. [KT]



407
Wilhelm Lehmbruck
Badendes Mädchen (Kleinere Version), 1902/1905.
Bronze mit schwarzbrauner Patina
Schätzung:
€ 18.000
Ergebnis:
€ 75.000

(inklusive Aufgeld)