Auktion: 530 / Evening Sale / Sammlung Hermann Gerlinger am 10.06.2022 in München Lot 42

 

42
Erich Heckel
Fördelandschaft, 1924.
Kaltnadelradierung und Flächenätzung
Schätzung:
€ 3.000
Ergebnis:
€ 10.000

(inklusive Aufgeld)
Fördelandschaft. 1924.
Kaltnadelradierung und Flächenätzung.
Ebner/Gabelmann 807 R II (von II). Dube R 158 II (von II). Signiert, datiert, betitelt und bezeichnet "Probe". Auf Velin (mit Wasserzeichen ARTIS). 25,8 x 35,4 cm (10,1 x 13,9 in). Papier: 44,5 x 64 cm (17,5 x 25,1 in).

• Die Darstellung des gleichen Motivs in unterschiedlichen künstlerischen Medien ist charakteristisch für Erich Heckels Schaffen.
• Das Motiv wird in dem Gemälde Herbstlandschaft/Fördelandschaft und in einem im Nachlass befindlichen Aquarell aufgegriffen.
• Ein Abzug dieser Radierung befindet sich in der Sammlung des MoMA, New York
.

Wir danken Frau Renate Ebner und Herrn Hans Geissler, Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen am Bodensee, für die freundliche Beratung.

PROVENIENZ:
Sammlung Hermann Gerlinger, Würzburg (mit dem Sammlerstempel Lugt 6032).

AUSSTELLUNG:
Freie Deutsche Kunst. Gemälde, Aquarelle, Graphik, Karl-Marx-Haus, Neuruppin, 3.-17.8.1946. Kat.-Nr. 34 (wohl anderes Exemplar).
Erich Heckel in Angeln, Städtisches Museum, Flensburg, 15.3.-26.4.1959, Kat.-Nr. 56 (wohl anderes Exemplar).
Erich Heckel, Druckgraphik. Ausstellung aus Anlas des 80. Geburtstages am 31. Juli 1963, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett, Berlin-Dahlem, 17.6.-Nov. 1963, Kat.-Nr. 71 (anderes Exemplar).
Erich Heckel 1883-1970. Gemälde, Aquarelle, Graphik, Jahresblätter, gemalte Postkarten und Briefe aus dem Besitz des Museums, Altonaer Museum, Hamburg, 7.3.-23.4.1973, Kat.-Nr 164 (anderes Exemplar).
Erich Heckel. Aquarelle, Zeichnungen u. Druckgraphik, Kunstverein Wolfsburg e.V. im Wolfsburger Schloss, 7.3.-4.4.1982, Kat.-Nr. 40 (wohl anderes Exemplar).
Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloss Gottorf, Schleswig (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 1995-2001).
Erich Heckel: Sein Werk der 20er Jahre, Brücke-Museum Berlin, 30.10.2004-12.2.2005, Kat.-Nr. 17 (m. Abb. S. 47, anderes Exemplar).
Kunstmuseum Moritzburg, Halle an der Saale (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2001-2017).
Buchheim Museum, Bernried (Dauerleihgabe aus der Sammlung Hermann Gerlinger, 2017-2022).

LITERATUR:
Erich Heckel, Graphik der Gegenwart, Bd. 1, Berlin 1931, Abb. (o. S., wohl anderes Exemplar).
Heinz Spielmann (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Sammlung Hermann Gerlinger, Stuttgart 1995, S. 319, SHG-Nr. 494 (m. Abb.).
Serge Sabarsky, Erich Heckel. Die frühen Jahre. Zeichnungen Aquarelle Graphik, Salzweg bei Passau 1995, Abb. S. 132 (wohl anderes Exemplar).
Kunstmuseum Bayreuth (Hrsg.), Menschen, Artisten, Spiegelbilder. Druckgraphiken aus der Sammlung Helmut und Constanze Meyer, Bayreuth 2000, Abb. S. 71 (anderes Exemplar).
Hermann Gerlinger, Katja Schneider (Hrsg.), Die Maler der Brücke. Sammlung Hermann Gerlinger, Halle (Saale) 2005, S. 228, SHG-Nr. 516 (m. Abb.).

Erich Heckel ist der Darstellung von Landschaft tief verbunden. In ihr findet er über alle Phasen seines künstlerischen Schaffens vielfältige Möglichkeiten des Ausdrucks. Erich Heckel sucht diese Landschaften, er sucht und besucht sie auf Reisen ebenso wie bei seinen regelmäßigen Aufenthalten an bestimmten Orten. Landschaften ermöglichen ihm in Gemälden, Aquarellen und den vielfältigen Möglichkeiten der druckgrafischen Techniken ausdrucksstark Stimmungen zu vermitteln.

Nach Ende des Ersten Weltkriegs zählt die Druckgrafik neben der Malerei und dem Aquarell auch weiterhin zu Erich Heckels wichtigsten, künstlerischen Ausdrucksmitteln. Stilistisch fällt die Entstehung dieser Landschafts-Radierung in eine Zeit, in der sich die Bildsprache von Erich Heckel zu verändern beginnt. Anfang der 1920er Jahre weichen die ausdrucksstarken und ungestümen Arbeiten des jungen "Brücke"-Mitglieds schrittweise einer ruhiger werdenden Bildwelt, in der die Komposition an Klarheit gewinnt und der Bezug zur Realität deutlicher zutage tritt. Dargestellt ist der Blick über die Flensburger Außenförde, wo sich Heckel ab 1919 vermehrt aufhält und eine in seinen Augen ideale Landschaft vorfindet, die er schon 1913 in einem Brief an Walter Kaesbach wie folgt beschreibt: "Es ist ja immer so, daß ich eine Idealheimat habe und Stücke davon hier und da finde, da gehören Berge und welliges Gelände dazu, flache Ebene wie die Heide in Oldenburg, und Meeresküste, eine Flußlandschaft mit badenden Menschen, Wiesen mit weidenden Pferden, arbeitende, mühende Menschen." (Erich Heckel, 7.7.1913, zit. nach: Karlheinz Gabler, Erich Heckel und sein Kreis, Stuttgart-Zürich 1983, S. 120). Elemente dieser idealen Heimat setzt Heckel in dem hier vorliegenden Exemplar der "Fördelandschaft" gekonnt ins Bild.

In Osterholz, in der Nähe Flensburgs, mieten sich Siddi und Erich Heckel erstmals 1913 bei einem Bootsbauer ein. 1919 können sie das Bauernhaus, in dem sie immer wieder wohnen, erwerben. Osterholz bleibt ein fixer Punkt für Erich Heckel und seine Familie, ein Rückzugsort und Kraftquell. Erich Heckel formuliert das in einem Brief an Lyonel Feininger vom 15. Mai 1919 ausdrücklich: "Es ist für uns beide so gut, in dieser stillen einfachen Ländlichkeit zu leben. Alle Erinnerungen an die Kriegsjahre tauchen bei mir allerdings wieder stärker auf, aber vielleicht verlieren sie auch das Bedrückende. Und ich werde vor allem wieder kräftiger und gesünder" (zit. nach: Andreas Hünecke, Erich Heckel, Werkverzeichnis der Gemälde, Bd. II, S. 462). Hier in Osterholz ist nicht nur diese Radierung zu verorten, auch ein im Nachlass des Künstlers befindliches, bisher unveröffentlichtes Aquarell zeigt diesen Blick über die Förde. Im Werkverzeichnis der Gemälde ist zudem das Gemälde "Herbstlandschaft (Fördelandschaft, Fördelandschaft im Herbste [sic])" mit dem gleichen Motiv gelistet (Hünecke 1924-19). Ruhe und Weite formen die Stimmung der Landschaft, in der rechten unteren Ecke arbeiten ein Bauer und zwei weitere Personen auf einem Feld. Es ist, wie Erich Heckel im Brief an Lyonel Feininger hofft, die stille einfache Ländlichkeit, die er an diesem Ort sucht und findet. [EH/AR]



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Erich Heckel
Fördelandschaft, 1924.
Kaltnadelradierung und Flächenätzung
Schätzung:
€ 3.000
Ergebnis:
€ 10.000

(inklusive Aufgeld)