Auktion: 525 / Evening Sale am 10.12.2021 in München Lot 250

 

250
Emil Nolde
Vogel und Georginen, 1919.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 400.000
Ergebnis:
€ 685.000

(inklusive Aufgeld)
Vogel und Georginen. 1919.
Öl auf Leinwand.
Urban 851. Rechts unten signiert. Auf dem Keilrahmen signiert und betitelt "Georginen". 73 x 65 cm (28,7 x 25,5 in).
1930 in der Handliste vermerkt "1919 Vogel und Georginen".
• "Vogel und Georginen" besticht durch die Magie seiner strahlenden Farben sowie der klaren ausbalancierten Komposition und ist damit zeitlos modern.
• Die um 1919/20 entstandenen Stillleben gehören zu den reifsten und ausgewogensten Gemälden im Œuvre Emil Noldes.
• Ein vergleichbares Werk befindet sich im Statens Museum for Kunst in Kopenhagen.
• Seit 35 Jahren in Privatbesitz
.

PROVENIENZ: Asmus und Boder, Hamburg (ca. 1930 /1935, laut handschriftlichem Nachtrag in Noldes Handliste).
Engelbert Rating, Hamburg (seit 1946, wohl durch Vermittlung von Wido Schliep, Pullhausen bei Dachau, von Herrn Haverkorn, Hamburg erworben).
Mathias Rating, Hamburg (durch Erbschaft vom Vorgenannten, bis 1987: Hauswedell & Nolte, 11.-13.6.1987).
Galerie Westenhoff, Hamburg (1987 vom Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Norddeutschland (1987 beim Vorgenannten erworben, seither in Familienbesitz).

AUSSTELLUNG: Kunstverein Weimar, Januar 1921.
Galerie Commeter, Hamburg, März - April 1921.
Hamburger Kunstverein, 7.8.-21.9.1947.

LITERATUR: Hauswedell & Nolte, Hamburg, 11.-13.6.1987, Los 1083.
Weltkunst, München, 1987, Vol. 57, Nr. 11, S. 1581.
"Ich malte besonders gern die Stilleben nach den Figuren und Masken meiner geliebten kleinen Sammlung, sie gruppierend und ordnend, oft mit einigen Blumen dabei, in freier, künstlerischer Art."
Emil Nolde, zit. nach: Emil Nolde. Mein Garten voller Blumen, 2010, S. 113.

Das Stillleben in Vollendung
Emil Noldes Stilllebenmalerei ist begleitet von geheimnisvollen, stillen und fernwirkenden Arrangements, die er mit verschiedenen Dingen bestückt und zu einem großen Ganzen formuliert. Es ist sein klarer Blick und seine feingliedrige Methode, aus den unterschiedlichen Details ausschnitthaft seinen Alltag zum Besten zu geben. Er wählt Objekte, die er in immer neuen bildnerischen Konstellationen zusammenführt. Parallel zu den Besuchen im Völkerkundemuseum seit etwa 1909 beginnt Nolde einen eigenen Fundus für seine Stillleben anzulegen, der seine Stilllebenwelt nicht nur bereichert, sondern einen engen Bezug zum Künstler aufweist und die Objekte in einer Beziehung zum Menschenbild sieht, besonders herausarbeitet und gleichwertig behandelt. Dabei spürt der Betrachter Noldes Interesse an deren Herkunft, erfährt beiläufig etwas über die kulturelle Funktion, die er in farbenprächtigen Konstellationen zu berichten weiß. Der in der langen Tradition der Stilllebenmalerei zugrunde liegende Topos der Vergänglichkeit ist bei Nolde nicht weiter evident, außer man bindet die Blumenpracht, wie hier in unserem Bild die knallroten Georginen, ein in die Vanitas-Symbolik. Natürlich sind auch und gerade Schnittblumen aufgrund ihrer zeitlich begrenzten Haltbarkeit ein Zeichen für Vergänglichkeit. „Vogel und Georginen“ malt Nolde 1919. Vorher und nachher malt der Künstler weitere Stillleben, man könnte von einer Reihe sprechen, in der sich Nolde mit dem Zusammenspiel der Dinge auseinandersetzt und entsprechend zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt: In „Maske und Blumen“ inszeniert Nolde eine japanische Maske aus seiner Sammlung in einem Meer von nelkenartigen Blüten; mit dem Bild „Figuren und Georginen“ präsentiert Nolde links eine stehende weibliche Figur vermutlich chinesischer Herkunft und, neben den Blumen rechts inszeniert, eine Steinskulptur vielleicht aus dem Neolithikum. Sind dort die Georginen noch nicht richtig aufgeblüht, entfalten sie hier neben dem langbeinigen, reiherartigen Vogel mit ausgeprägt langem Hals und dolchartigem Schnabel eine üppige Blütenpracht. Der Vogel ist aus Bronze und stammt vermutlich aus Persien. Er steht auf einem von Noldes Frau Ada nach Motiven des Künstlers gewebten Tuch.
Das Exotische – Emil Nolde und die Kunst der Naturvölker
Nolde hat im Laufe der Zeit eine umfängliche Sammlung von ausgefallenen Figuren, Masken und dergleichen zusammengetragen. Sein Interesse für das Außergewöhnliche, für Gegensätze, für das Ursprüngliche, das Primitive wie Narrative der Artefakte, die er von Reisen mitbringt oder zufällig entdeckt und in Antiquitätenläden erwirbt, bereichert neben den garteneigenen Blumen die Stilllebenmalerei des Künstlers. „Die Sammlung enthält die gegensätzlichsten Dinge: Bunt glasierte englische Steingutfiguren, wie sie die Seeleute von ihren Reisen mitbrachten, konnten ihm so viel wert sein wie ein kostbares chinesisches Tangpferd oder eine etruskische Tonfigur. Die großen bemalten Uli's aus Neuguinea, Bronzen und Porzellan-Figuren aus China, Korea und Java, Masken, Afrikanisches, Ägyptisches, Indisches, Präkolumbianisches, Mittelalterliches und die Gegenstände der Volkskunst aus seiner nordschleswigschen Heimat – Nolde hatte die Dinge immer um sich. Sie standen und hingen im Haus Seebüll und in der Berliner Wohnung neben seinen Bildern und zwischen den von ihm selbst gefertigten Figuren. Sie lebten mit, waren Teil seiner Welt und gehörten zur Erfahrung des Malers“, so der langjährige Leiter der Ada und Emil Nolde Stiftung Martin Urban (Ausst.-Kat. Emil Nolde. Masken und Figuren, Bielefeld 1971, o. S.).
Der Blick ins Private
Emil Noldes "Vogel und Georginen" gehört zu den reifen und ausgewogenen Stillleben im Übergang zu den 1920er Jahren. Die feuerroten Georginen kommen aus dem Garten in Utenwarf und stehen (vermutlich) von Ada arrangiert in einer von Nolde geformten, knallgelb glasierten Vase. Die elegant geformte Bronze stammt aus seiner Sammlung, das ehedem schlanke Volumen inszeniert Nolde kontrastvoll in ein scherenschnittartiges Schwarz und verbindet so das Diesseits mit der gewebten Figurine der Decke. Nichts Fremdes erscheint in der Begegnung der Dinge, im Gegenteil: Das Besondere und das sehr Persönliche verwandelt der Künstler in einen prachtvollen Alltag, seinen Alltag im Atelier, das farbenprächtige Ergebnis eines beglückenden Ereignisses im Leben des Künstlers. [MvL/SM]



250
Emil Nolde
Vogel und Georginen, 1919.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 400.000
Ergebnis:
€ 685.000

(inklusive Aufgeld)