Auktion: 520 / Evening Sale am 18.06.2021 in München Lot 318

 

318
Gerhard Richter
War Cut II, 2004.
Multiple Unikat. Öl auf leinenbezogenem Buchdec...
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 150.000

(inkl. Käuferaufgeld)
War Cut II. 2004.
Multiple Unikat. Öl auf leinenbezogenem Buchdeckel, gerakelt.
Butin 125. Auf dem Vorsatzpapier signiert, datiert und nummeriert. Auf einer der hinteren Seiten zusätzlich nummeriert. Aus einer Serie von 50 Unikaten. 25,3 x 21,5 x 2,5 cm (9,9 x 8,4 x 0,9 in).
Künstlerbuch in rotem Leineneinband mit flexiblem Cover. In der hellgrauen, vom Künstler entworfenen Karton-Kassette. 2004 von Suzanne Pagé und Hans Ulrich Obrist (Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris) als Vorzugsausgabe herausgegeben im Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln.
• Unikat.
• Seit den 1960er Jahren finden sich in Richters Œuvre Künstlerbücher.
• Schöne Rakelung, die in Teilen noch den malerischen Unterbau der Komposition erkennen lässt.
• Mit dem Einsatz des Rakels gelingt Gerhard Richter eine Neudefinition der zeitgenössischen abstrakten Malerei
.

Wir danken Herrn Dr. Dietmar Elger für die freundliche wissenschaftliche Beratung.

PROVENIENZ: Galerie Springer, Berlin.
Privatsammlung Hessen (vom Vorgenannten erworben).

LITERATUR: Hubertus Butin und Stefan Gronert (Hrsg.), Gerhard Richter. Editionen 1965-2004, Ostfildern-Ruit 2004, Kat.-Nr. 125 (mit Abb., S. 276).
Hubertus Butin, Stefan Gronert und Thomas Olbricht (Hrsg.), Gerhard Richter. Editionen 1965-2013, Ostfildern-Ruit 2014, Kat.-Nr. 125 (mit Abb., S. 296).
"Bei einem abstrakten [Bild] formt sich allmählich das Bild einer Landschaft, die ich nicht kenne. Aber [..] Farben, Formen, Proportionen, Strukturen sind die gleichen wie beim Entstehen einer real existierenden Szene. Deshalb sollten abstrakte Bilder auch genauso betrachtet werden wie die fotorealistischsten Motive."
Gerhard Richter in einem Gespräch mit Eva Karcher, Süddeutsche Zeitung Online vom 17. Mai 2010.

Richters berühmte, mit dem Rakel - einem breiten Holz-, Gummi- oder Aluminiumspachtel - geschaffene "Abstrakte Bilder" entstehen ab den 1980er Jahren und sind heute die international gefragtesten Arbeiten seines nun vollendeten malerischen Œuvres. Für die grundlegende Farbgebung und als kompositorische Basis legt der Künstler mit dem Pinsel zunächst eine ungegenständliche Ausgangskomposition an, die er anschließend - wie in der vorliegenden Komposition - mithilfe eines Rakels in einen Farbschleier aus Überlagerungen und Vermischungen der Farben verwandelt und somit in eine neue, eindrucksvolle Ästhetik überführt. Das mit dem Rakel erzeugte, verwischende Überarbeiten von mit dem Pinsel aufgetragenen Farbflächen oder auch von gegenständlichen Darstellungen aus früheren Gemälden ist seither zum Charakteristikum von Richters Malerei geworden. Der durch diesen manuellen Prozess entstehende, individuelle Farbverlauf ist stets ungeplant und unvorhersehbar und somit ein Produkt des Zufalls. Richter verbindet somit kreatives Kalkül und Zufallsmoment sowie Konstruktion und Dekonstruktion. Das zunächst auf den Bildträger gebrachte Farbfeld wird durch die Verrakelung zerstört, um Raum für eine ästhetische Neuschöpfung zu machen. Richter erklärt: "Ich habe eben nicht ein ganz bestimmtes Bild vor Augen, sondern möchte am Ende ein Bild erhalten, das ich gar nicht geplant hatte. Also, diese Arbeitsmethode mit Willkür, Zufall, Einfall und Zerstörung läßt zwar einen bestimmten Bildtypus entstehen, aber nie ein vorherbestimmtes Bild. [..] Ich möchte ja gern etwas Interessanteres erhalten als das, was ich mir ausdenken kann." (Gerhard Richter, Text, Schrift und Interviews, hrsg. von Hans-Ulrich Obrist, Frankfurt a. M. 1993, S. 77).

Die hier vorliegende Arbeit verbindet die berühmten, gerakelten "Abstrakten Bilder" mit der Kunstform des Künstlerbuches, die in Richters Œuvre bereits seit Mitte der 1960er Jahre eine wichtige Rolle einnehmen. Auf 344 Seiten mit über 200 Abbildungen und 155 Texten vollzieht Gerhard Richter eine Gegenüberstellung von Bildmaterial eines seiner "Abstrakten Bilder" von 1986 mit einigen Artikeln über den Beginn des Irak-Krieges aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 20. und 21. März 2003. Immer wieder thematisiert der Künstler in seinen Werken politische Ereignisse, insbesondere den Zweiten Weltkrieg wie etwa in "Onkel Rudi" (1965, Lidice Collection, Lidice), die Anschläge der RAF wie in den Porträts von Gudrun Ensslin "Gegenüberstellung 1-3" (1988, Museum of Modern Art, New York) oder die Anschläge auf das World Trade Center wie in "September" (2005, Museum of Modern Art, New York).

Seine ganz eigene Formulierung und malerische Neudefinition abstrakter Malerei beschert Gerhard Richter seit vielen Jahrzehnten große internationale Erfolge und bestätigt ihn als den bedeutendsten deutschen Maler seiner Generation. Schon in den 1970er Jahren und 1980er Jahren sind Richters Arbeiten in internationalen Museen ausgestellt. 2002 feiert das Museum of Modern Art in New York sein bedeutendes Schaffen mit einer ersten großen Retrospektive "Gerhard Richter. Forty Years of Painting". Die Londoner Tate widmet ihm 2013/14 die umfassende Retrospektive "Gerhard Richter: Panorama" und im vergangenen Jahr ehrt ihn das Metropolitan Museum of Art in New York mit der großen Einzelausstellung "Gerhard Richter - Painting after all". [CH]



318
Gerhard Richter
War Cut II, 2004.
Multiple Unikat. Öl auf leinenbezogenem Buchdec...
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 150.000

(inkl. Käuferaufgeld)