Auktion: 514 / Evening Sale am 11.12.2020 in München Lot 257

 

257
Otto Piene
Auge, 1965.
Öl, Feuer und Rauch auf Leinwand
Schätzung:
€ 80.000
Ergebnis:
€ 150.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Auge. 1965.
Öl, Feuer und Rauch auf Leinwand.
Verso signiert und datiert. Auf dem Keilrahmen betitelt und mit Richtungspfeil. 80 x 100 cm (31,4 x 39,3 in).

• Das Werk wird erstmals auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten.
• Aus der bedeutenden "ZERO"-Zeit.
• 1965 ist "ZERO" bereits eine Kunstbewegung von internationalem Rang.
• Für die "ZERO"-Bewegung ist das Auge sinnbildhaft - das wichtigste Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Licht
.

PROVENIENZ: Rudolf Springer Galerie, Berlin (auf dem Keilrahmen mit dem Etikett).
Privatsammlung Rheinland.

AUSSTELLUNG: Mack, Piene, Uecker, Kestner-Gesellschaft, Hannover, 7.5.-7.6.1965, Nr. 120.

"Bei der Entstehung der Rauchzeichnungen ist das Auge wichtiger als die Hand [..]. Ich hoffe, mit einem Minimum von physischem Engagement, weit entfernt von jedem Drama, einen Raum der Stille zu erreichen, der, weil er auf eindringliche Weise spürbar wird, zum Verweilen einlädt."
Otto Piene, zit. nach: Mack, Piene, Uecker, Ausst.-Kat. Kestner-Gesellschaft, Hannover, 1965, S. 107 u. 110.

Otto Piene ist neben Heinz Mack Begründer der Gruppe "ZERO" und einer der ersten Künstler, die das Element Feuer zu einem Gestaltungsmittel der Kunst machen. "ZERO" wird nach monatelanger Suche der Name einer Bewegung, die der Kunst im Nachkriegsdeutschland eine neue Richtung geben möchte. Die Situation setzen die Künstler gleich mit dem Countdown eines Raketenstarts - "Zero", null, als der Moment, in dem ein alter Zustand in einen neuen, unbekannten übergeht. 1961 stößt Günther Uecker hinzu, zusammen mit Mack und Piene bilden sie den "inner circle" der "ZERO"-Gruppe. 1965 - das Jahr, in dem das Werk "Auge" entsteht - ist "ZERO" bereits eine internationale Bewegung geworden. Während sich Uecker und Mack mit dem Licht selbst beschäftigen, versucht Piene auf einer anderen Ebene die Dunkelheit zu durchdringen, indem er Rauch und Feuer in die Malerei einbringt. Ab Anfang der 1960er Jahre experimentiert Piene mit Feuer, Rauch und Licht, die er in Wechselwirkung auf ein gemeinsames Ziel richtet. Dabei gehen Absicht und Wollen sowie Willkür, aber auch die Eigenständigkeit des Materials eine ausgleichende Synthese ein. Bemerkenswert ist, dass jede Werkgruppe aufeinander aufbaut. Zunächst entstehen die Rasterbilder, hier trägt Piene die Farbe durch ein Raster auf und es entsteht ein Punktrelief, das die Oberfläche der Leinwand optisch in Bewegung setzt. Aus den Rasterbildern entwickeln sich 1959 die ersten Rauchzeichnungen: "Ich kam auf die Technik der Rauchzeichnungen, als ich sah, wie Kerzenruß durch Rasterfolien quoll und sich an den Rändern absetzte." (Otto Piene, zit nach: Otto Piene. Zero: Werke von 1957-1966, Ausst.-Kat. Galerie Koch, Hannover, 27.4.-25.5.2013, S. 18). Mithilfe der Schablonen der Rasterbilder lenkt er nun Rauch auf das Trägermaterial und erzielt die typisch vibrierende Bewegung der seriellen Rasterpunkte. Diese Technik überträgt er bald auch auf die Leinwand. Das Werk "Auge" von 1965 steht am Übergang von den Rauchbildern zu den Feuerbildern. Der Ruß wird mit einem Fixativ auf der Leinwand gebunden, durch dieses entzündliche Material gelieren die Farbpigmente und bilden die typisch krustige Oberfläche, die markant für die künstlerische Handschrift Pienes wird. Durch das Verlaufen des Fixativs und der schmelzenden Farbe bilden sich Schlieren, die diese besonderen faszinierenden amorphen Gebilde entstehen lassen. Das Augenmotiv findet sich ab 1963 im Werk von Otto Piene. Das Auge bezeichnet er als "vollkommenstes Objektiv der Welt" und räumt diesem einen festen Platz in seinem Schaffen ein. Für die "ZERO"-Bewegung ist das Auge sinnbildhaft: "Wär' nicht das Auge sonnenhaft,/ Wie könnten wir das Licht erblicken" (Johann Wolfgang Goethe, Farbenlehre, Gerhard Ott und Heinrich Proskauer, Bd. 1, S. 57). Wichtigstes Sinnesorgan zur Wahrnehmung von Lichtreizen ist das Auge, und das Licht ist der entscheidende Transmitter von Mensch zu Bild zu Mensch. Eine schöne Metapher: Das Feuer als natureigene Kraft, aus dessen Macht und seinem Licht die Iris erschaffen wird, ohne die es nicht sichtbar wäre. Eine mystisch subtile Komposition entsteht aus der eigentlich zerstörerischen Urgewalt des Feuers, dem Piene eine ungeahnte schöpferische Energie abringt und so zum Meisterdompteur dieses Elements wird. [SM]



257
Otto Piene
Auge, 1965.
Öl, Feuer und Rauch auf Leinwand
Schätzung:
€ 80.000
Ergebnis:
€ 150.000

(inkl. Käuferaufgeld)