Auktion: 508 / Kunst des 19. Jahrhunderts am 12.12.2020 in München Lot 353

 

353
Franz von Stuck
Amazone, 1897.
Bronze mit schwarzbrauner Patina
Schätzung:
€ 15.000
Ergebnis:
€ 60.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Amazone. 1897 Guss vor 1906 (1906 wurde Stuck geadelt).
Bronze mit schwarzbrauner Patina.
Vorne an der Plinthe bezeichnet "Franz Stuck". Gesamthöhe u. -breite 64,4 x 48,5 cm (25,3 x 19 in). Standfläche 34 x 17,3 cm (13,4 x 6,8 in).
Gegossen bei Cosmas Leyrer, München (auf der hinteren oberen Kante des Sockels mit dem Gießerstempel).
• Früher Guss der erfolgreichsten und bekanntesten Plastik Franz von Stucks
• Vorbild für die 1936 vor der Villa Stuck aufgestellte einzige Großplastik Stucks, der "Speerschleudernden Amazone" von 1913/14
• Weitere Exemplare durch frühe Ankäufe u.a. in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (1898), im Kunsthaus Zürich (1899), in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (1904) und im Städel Museum Frankfurt (1914)
.

PROVENIENZ: Privatsammlung Baden-Württemberg.

AUSSTELLUNG: Internationale Kunst-Ausstellung des Vereins bildender Künstler Münchens, Secession, April-September 1898, Nr. 396 (anderes Exemplar).

Die Darstellung der kämpfenden oder speerschleudernden Amazone ist wohl das bekannteste plastische Werk Franz von Stucks, das in einer monumentalen Ausführung seit 1936 auch vor dem Portikus der Villa Stuck in München aufgestellt ist. Erstes Interesse für ein solches Motiv könnte Stuck schon im Rahmen seines Romaufenthaltes bei Max Klinger um 1890 gefasst haben, als er in die Welt der antiken Mythologie und deren bildhauerischer und malerischer Umsetzung eintauchen konnte. Umgeben von den herausragendsten Werken griechischer und römischer Bildhauerkunst, aber auch der der Renaissance und des Barock, könnte die „Verwundete Amazone“ des Polyklet, die später auch auf der Attika seiner Villa aufgestellt wird, oder das Reiterstandbild des Marc Aurel auf dem von Michelangelo angelegten Kapitolsplatz inspirierende Wirkung gehabt haben. Als Stuck 1901/02 sein Atelier umgestaltet, lässt er dort eine Plakette mit den Namen seiner künstlerischen Vorbilder anbringen. Die Bildhauerei ist dort mit Phidias, dem größten Bildhauer der griechischen Klassik, und Michelangelo vertreten, deren Skulpturen für Stuck in ihrer kraftvollen Monumentalität und Linienführung von Bedeutung gewesen sind. Weitere Inspiration bildete ein Kopf der Pallas Athene, ausgestellt in der Münchner Glyptothek, von dem Stuck einen Gipsabguss besaß. Ein erstes Gemälde mit der Darstellung einer kämpferischen Amazone, hier allerdings nur der behelmte Kopf, entsteht ebenfalls 1897; im Hintergrund zeigt Stuck den steineschleudernden Kentauren, der in einer malerischen Wiederaufnahme des Motivs 1912 das männliche Pendant zur Amazone bildet. In das im Oeuvre Stucks so präsente Thema des Kampfes der Geschlechter fügt sich natürlicherweise die Figur der Amazone ein, jedoch mit einer anderen Qualität. Das kriegerische Frauenvolk Kleinasiens, bereits in der Ilias Homers im Kampf der Amazonen gegen die Troia belagernden Griechen und der Niederlage ihrer Königin Penthesileia gegen Achill beschrieben, hatte in dem Motiv der Amazonenschlacht und der verwundeten Amazone Eingang in die Kunst gefunden. Die Begegnung der Geschlechter bei Stuck kann so neben dem neckischen Fangspiel und dem Tanz in wilde Verfolgungsjagd bis hin zu gewaltvoller Unterwerfung übergehen. Im Gegensatz zu anderen Frauengestalten Stucks nutzt die athletisch-furchtlose Kriegerin, für die ihm Lydia Feez Modell stand, ihren Körper nicht zu lasziver Verführung, sondern zum Angriff. Ihr (männliches) Pferd lenkt sie mit der Kraft ihrer Schenkel, die den Pferdeleib bis in die Zehenspitzen fest umklammert halten. Mit wilder Entschlossenheit greift die Hand in die Mähne, um den Kopf des Pferdes zur Seite zu ziehen und die Lanze auf den Gegner zu schleudern, den ihr nach vorn gebeugter Kopf fest im Blick hat. Vollkommen unbekleidet ist ihre einzige Rüstung der Helm, unter dem das gelöste Haar hervorquillt. Nackt im Herrensitz reitend und den Speer in der Hand, wird die weibliche Figur von Stuck mit eindeutig männlichen und sexuellen Attributen versehen. Eine Frau zu Pferde scheint dabei in der Plastik einigermaßen ungewöhnlich, ist eine solche Darstellung im allgemeinen in der Tradition der römischen Antike oder der Renaissance männlichen Heerführern oder Fürsten vorbehalten. Erstmals wird Stucks Amazone 1898 mit großem Erfolg in Wien und München ausgestellt und anschließend in der Zeitschrift "Jugend" abgebildet, Güsse werden in kurzer Zeit von einigen der wichtigsten Museen angekauft. 1911/12 gibt schließlich der Kölnische Kunstverein für die Skulpturensammlung des Wallraff-Richartz-Museums eine Großplastik der Amazone in Auftrag, die Stuck mit leichten Abänderungen der kleinen Version anfertigt. Diesem Anlass ist unter anderem auch der Erweiterungsbau der Villa Stuck geschuldet, den Stuck mit dem Ziel, in diesem neuen Atelier auch Großplastiken fertigen zu können, erbauen lässt. [KT]



353
Franz von Stuck
Amazone, 1897.
Bronze mit schwarzbrauner Patina
Schätzung:
€ 15.000
Ergebnis:
€ 60.000

(inkl. Käuferaufgeld)