Auktion: 502 / Klassische Moderne II am 18.07.2020 in München Lot 378

 

378
Kurt Weinhold
Meine Frau mit Grammophon, 1927.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 106.250

(inkl. Käuferaufgeld)
Meine Frau mit Grammophon. 1927.
Öl auf Leinwand.
Golinski 180. Links unten signiert und datiert. Rückseitig auf der Leinwand bezeichnet "Kurt Weinhold. Calw/Württ. 'Meine Frau'". 183 x 102,5 cm (72 x 40,3 in).

• Eines der ausgesprochen seltenen Gemälde Kurt Weinholds aus den 1920er Jahren.
• Beeindruckendes, großformatiges Porträt der Neuen Sachlichkeit von musealer Qualität.
• Wunderbare Balance aus fotorealistischer Detailverliebtheit und neusachlicher Reduktion und Entrücktheit.
• Ausgestellt in der Kunsthalle Mannheim im Zuge der großen Überblicksschau "Neue Sachlichkeit. Bilder auf der Suche nach der Wirklichkeit. Figurative Malerei der zwanziger Jahre" (9. Oktober 1994 - 29. Januar 1995)
.

Wir danken Herrn Dr. Hans Günter Golinski für die freundliche Beratung.

PROVENIENZ: Sammlung Rolf Deyhle, Stuttgart (auf dem Rahmen mit dem Etikett).
Privatsammlung Süddeutschland (bis 2012; 2006-2012 als Dauerleihgabe in der Kunsthalle Böblingen).
Privatsammlung (seit 2012).

AUSSTELLUNG: Deutsche Kunstgemeinschaft, Berlin, Ausstellung 1927 oder 1928 (verso mit dem nummerierten Stempel).
Württembergischer Kunstverein, Kunstgebäude Stuttgart, o. J., Nr. 785 (auf dem Rahmen mit dem Etikett).
Kurt Weinhold 1896-1965, Galerie Schlichtenmaier, Schloss Dätzingen, Grafenau, 16.11.-20.12.1986, Kat.-Nr. 2, mit Farbabb. S. 34 (auf dem Keilrahmen mit dem Etikett).
Neue Sachlichkeit. Bilder auf der Suche nach der Wirklichkeit. Figurative Malerei der zwanziger Jahre, Städtische Kunsthalle Mannheim, 9.10.1994-29.1.1995, Kat. o. Nr., S. 243, mit Abb. S. 192 (auf dem Keilrahmen mit dem Transportetikett).
Kurt Weinhold zum 100. Geburtstag, Galerie der Stadt Calw in Zusammenarbeit mit der Galerie Schlichtenmaier, Grafenau, 17.11.1996-19.1.1997, Titelbild des Kataloges.
Malerische Bildwelten, Galerie Schlichtenmaier, Schloss Dätzingen, Grafenau, 29.1.-5.5.2005, Titelbild des Ausstellungsprospektes.
Städtische Galerie Böblingen, Dauerleihgabe 2006-2012.

LITERATUR: Hans Günter Golinski, Kurt Weinhold (1896-1965). Sinnbildschaffende Malerei des 20. Jahrhunderts in Deutschland, Bamberg 1985, S. 73-78.
"Ich will das Absolute auch bei Dir, in der Liebe, einen Menschen ganz, letztes Zueinanderströmen, Ergänzung für des Höhere und Höchste, was ich zu gebären vermag, das Absolute, was sich den äußeren Leistungen der Menschen durch alle Zeiten würdig an die Seite zu stellen vermag. [..] Du bist meine Seele, mein anderes Ich, Du sollst auch frei sein, .. dies letzte kann man nur einem anvertrauen, der Gottheit, und die bilden wir beide in Einheit.. Du meine Hälfte, meine Ergänzung."
Kurt Weinhold in einem Brief an seine Frau vom 22.11.1938, zit. nach: H. G. Golinski, S. 77.

Kurt Weinhold wird am 28. September 1896 als Sohn des Künstlers Carl Weinhold in Berlin geboren. 1911 übersiedelt die Familie in die damalige Kunstmetropole München. Trotz der Aufforderung durch Carl von Marr, seine Ausbildung an der Münchner Akademie zu vervollkommnen, zieht es Kurt Weinhold vor, sich weiterhin autodidaktisch fortzubilden. 1922 heiratet er die in Calw in Baden-Württemberg ansässige Margarete Schütz und lässt sich in ihrem Heimatort nieder. Dort widmet er sich nicht nur seinem malerischen Schwerpunkt, dem menschlichen Bildnis, sondern hat erstmals die Gelegenheit, sich dem Studium der Natur zu widmen. Zudem entwickeln sich freundschaftliche Beziehungen zu Künstlerkollegen wie Kurt Schlichter, Otto Dix und George Grosz. Ende der 1920er Jahre erlebt Weinhold erstmals Erfolge bei Kritikern und Publikum. Seine Arbeiten werden in ganz Deutschland gezeigt, bis 1933 lädt ihn die Preußische Akademie in Berlin regelmäßig zu ihren Ausstellungen ein. 1929 nimmt Weinhold an der 6. Ausstellung der Stuttgarter Sezession, 1931 an der 2. Ausstellung der Stuttgarter Neuen Sezession teil.
Da eine umfassende Würdigung der Maler der Neuen Sachlichkeit noch aussteht, orientiert sich der Ausstellungebetrieb und Kunstmarkt vor allem an den bereits bekannten Künstlern dieser Bewegung der zwanziger Jahre. Doch daneben haben viele Künstler im Geist dieser Zeit und auf hohem künstlerischen Niveau gearbeitet, ohne bisher eine weitere Beachtung jenseits der lokalen Szene zu finden. Kurt Weinhold ist eine jener bisher nahezu unentdeckten Künstlerpersönlichkeiten, dessen Werk uns jedoch gerade in seinen zentralen Glanzpunkten, zu denen sein lebensgroßes Gemälde "Meine Frau mit Grammophon" gehört, staunen lässt. Nur seine wichtigsten Arbeiten konnten bisher in Einzelfällen auf musealen Ausstellungen zur Neuen Sachlichkeit reüssieren, wie auch unser beeindruckendes Porträt seiner Frau Margarete, das bereits 1995/96 auf der großen Überblicksschau zur Malerei der Neuen Sachlichkeit in der Kunsthalle Mannheim öffentlich ausgestellt war. "Meine Frau mit Grammophon" führt uns beispielhaft vor Augen, welch großartige Entdeckungen es in Weinholds malerischem Werk zu machen gilt. Das Porträt der Frau des Künstlers vor einem Grammophon ist in der Dichte der Aussage und der überzeugenden technischen Malkultur ein beredtes Beispiel dafür. Die malerische Delikatesse in der Behandlung des Stofflichen kontrastiert in bemerkenswerter Weise mit der kargen Komposition, die außer dem Modell und dem ihr zugeordneten Grammophonschränkchen keine weitere Aussage bietet. Dem Farb- und Formenkanon von Rudolf Schlichter verwandt, konnte Kurt Weinhold einen eigenen Weg entwickeln, der es ihm ermöglichte, sowohl im Technischen als auch in der Motivwahl weitgehend unabhängige Bildfindungen zu entwickeln, welche auch noch heute durch ihren einzigartig entrückten Charakter überzeugen. [JS]
Noch 1934 wird Kurt Weinhold mit dem Rompreis ausgezeichnet und mit einem anschließenden Studienaufenthalt in der deutschen Akademie in Rom geehrt. Dem nationalsozialistischen Regime tritt Kurt Weinhold mit offener Ablehnung entgegen und wird zum "entarteten Künstler" ohne Malverbot erklärt. Demzufolge kommt Weinholds künstlerischer Erfolg zum Erliegen und der Künstler zieht sich zunehmend in die innere Emigration zurück. Mit Kriegsbeginn wird er als Zeichner eingezogen, wo er hauptsächlich Soldaten porträtiert. 1940 wird Kurt Weinhold gesundheitsbedingt aus dem Dienst für die Armee entlassen. Nach zahlreichen Studienreisen in den Süden Europas stirbt der Künstler 1965 neunundsechzigjährig in seiner Wahlheimat Calw.



378
Kurt Weinhold
Meine Frau mit Grammophon, 1927.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 106.250

(inkl. Käuferaufgeld)