Auktion: 502 / Klassische Moderne II am 18.07.2020 in München Lot 370

 

370
George Grosz
Blinder Krüppel (Cripple), 1923.
Aquarell und Kohlezeichnung
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 43.750

(inkl. Käuferaufgeld)
Blinder Krüppel (Cripple). 1923.
Aquarell und Kohlezeichnung.
Rechts unten signiert und datiert sowie wohl nachträglich in englischer Sprache betitelt. Auf chamoisfarbenem Velin, auf Karton aufgelegt und in ein Passepartout montiert. 64,7 x 52,3 cm (25,4 x 20,5 in), blattgroß.

• Aus der bedeutenden Provenienz der Galerie Flechtheim, Berlin.
• Meisterhaft komponierte Darstellung mit der unverkennbaren figürlichen Bildsprache des Künstlers.
• Eindringlicher malerischer Kommentar zur gesellschaftlichen Situation Deutschlands in den 1920er Jahren
.

Mit einer Foto-Expertise von Ralph Jentsch vom 16. April 2020. Die Arbeit wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis der Arbeiten auf Papier von Ralph Jentsch aufgenommen. Wir danken für die freundliche wissenschaftliche Beratung.

PROVENIENZ: Galerie Flechtheim, Berlin (1930, mit einem handschriftlich bezeichneten Etikett, in Kommission).
George Grosz, USA (nach 1933).
Associated American Artists Gallery, New York (mit den typografisch bezeichneten Etiketten).
Nachlass Elsbeth Bothe, Baltimore, USA.
Vom heutigen Eigentümer 2013 erworben.

AUSSTELLUNG: George Grosz. Ölgemälde und Aquarelle, Galerie Alfred Flechtheim, Düsseldorf, Oktober 1930, Kat.-Nr. 41 (mit dem Titel "Der Blinde").
Impressions du Front: Invalide aveugle. George Grosz - Otto Dix, Musée du Temps, Besançon, 6.12.2014-15.3.2015, S. 79 (mit Abb.), und S. 110, Kat.-Nr. 29.
Raw War, Galerie Ronny Van de Velde, 5.12.2015-18.1.2016, S. 74f. (mit Abb.).
The Art of War, Kazerne Dossin, Malines/Mecheln, 22.10.2017-1.7.2018, S. 173, mit Abb., S. 141 (auf dem Passepartout verso mit dem Ausst.-Etikett).

LITERATUR: Ralph Jentsch, George Grosz 1893-1959. Ein großes Nein - Der visionäre Grosz, Antwerpen 2013, S. 190f. (mit ganzseitiger Abb.) sowie S. 284, Kat.-Nr. 43.

Aufgrund seiner eindringlich zu Papier gebrachten und auf Leinwand gebannten Beobachtungen des alltäglichen Großstadtlebens gilt der in Berlin geborene Maler, Zeichner, Grafiker, Illustrator und Publizist George Grosz als Gesellschaftskritiker und Kommentator seiner Zeit - den Jahren zwischen dem Untergang des Wilhelminischen Kaiserreiches, der Weimarer Republik und der Ausbreitung des Nationalsozialismus. "Wie kaum ein anderes Werk erweist die Kunst von Grosz sich [..] nicht nur als anschauliche Waffe gegen Unterdrückung und Dummheit, sondern zugleich als optisches Gedächtnis und Archiv der urbanen Lebensformen unseres Jahrhunderts.", heißt es im Vorwort des Katalogs zur Ausstellung "George Grosz: Berlin - New York", die in den 1990er Jahren u. a. in der Berliner Nationalgalerie gezeigt wird.
Auch in der hier angebotenen Arbeit gelingt es George Grosz, mit einer zunächst wenig spektakulär anmutenden städtischen Fußgänger-Szenerie die damalige gesellschaftliche Entwicklung und politische Situation in Deutschland prägnant zu dokumentieren und dabei mit einem ganz persönlichen künstlerischen Kommentar zu versehen. Mit wenigen, gekonnt gesetzten Pinselstrichen bannt Grosz die Figur eines gebückt und am Stock gehenden Mannes auf das Papier, ein Anblick, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs möglicherweise häufiger zu beobachten gewesen sein mag. Das Eiserne Kreuz baumelt am Hals des Mannes und sowohl Kleidung als auch Hut erinnern an die Uniform eines Soldaten. Details wie die Kleidung oder das Hundefell und auch die Konturen der Berliner Straßenzüge sind im Großstadtdunst nur ganz leicht umrissen. Und doch begreift der Betrachter, dass es sich hier um eine deutlich zu verortende Szenerie und Ästhetik einer deutschen Großstadt in der Nachkriegszeit und somit um ein zutiefst zeitgeschichtliches Werk handelt. Die pointierte Darstellung gewinnt zudem durch die meisterliche Pinselführung des Künstlers, der hier nicht nur die zugrunde liegende Stimmung der erlebten Szene, sondern auch den Bewegungsablauf des Laufschritts von Mann und Hund mit nur wenigen Linien und Strichen, einer subtilen, sehr reduzierten Farbigkeit und weicher Lavierung auf Papier zu bringen vermag. Im Entstehungsjahr unserer Arbeit wird Alfred Flechtheim der Kunsthändler des Künstlers George Grosz. Wenig später wird das Aquarell in der Galerie Flechtheim der Öffentlichkeit präsentiert. [CH]



370
George Grosz
Blinder Krüppel (Cripple), 1923.
Aquarell und Kohlezeichnung
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 43.750

(inkl. Käuferaufgeld)