Auktion: 479 / Klassiker des 20. Jahrhunderts I am 08.12.2018 in München Lot 859

 

859
Paul Thek
Wild Irish Rose, 1980.
Acryl auf Leinwand, im Künsterrahmen mit Bildle...
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 112.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Wild Irish Rose. 1980.
Acryl auf Leinwand, im Künsterrahmen mit Bildleuchte.
Auf dem Keilrahmen signiert, datiert und betitelt sowie mit diversen Etiketten. Rahmen 31,7 x 39,5 cm (12,4 x 15,5 in).
Bildleuchte mit amerikanischem Stromstecker, funktionstüchtig.

PROVENIENZ: Atelier des Künstlers.
Galerie Alexander Iolas, New York (verso mit dem Galerieetikett).
Galerie Brooke Alexander, New York (verso mit dem Galerieetikett).
Galerie Mai 36, Zürich (verso mit dem Galerieetikett).
Galerie am Lindenplatz, Vaduz.

AUSSTELLUNG: Installation von "Where Are We Going?",Biennale Di Venezia, Venedig 1980 (verso mit dem Ausstellungsetikett).
Peripherer Blick & kollektiver Körper, Museion - Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, Bozen 24. Mai bis 21. September 2008 (Kat. S. 230).
Paul Thek - artista de artistas, obras y procesiones de 1958-1988, Museo Nacional Centro de Arte - Reina Sofia, Madrid 5. Februar bis 20. April 2009 (verso mit dem Ausstellungsetikett).

Es war die von Roland Groenenboom maßgeblich organisierte Ausstellung "Paul Thek­– The Wonderful World That Almost Was", die 1996 im Rotterdamer Kunstzentrum Witte de With begann und über Berlin (Nationalgalerie) und Marseille (Musée Cantini) nach Barcelona (MACBA) reiste, die den amerikanischen Künstler George Paul Thek, der sich seit Ende der 1950er Jahre nur noch Paul Thek nannte, dem Vergessen entriss. 1988 war er qualvoll an AIDS gestorben, der Immunschwächekrankheit, der in den 80er und 90er Jahren zahlreiche Künstler zum Opfer fielen. Paul Thek hat es seiner Rezeption zu Lebzeiten nicht leicht gemacht. Ab 1966/1967 war er in New York und bald auch in Europa zu frühem Ruhm gelangt. Die einflussreichsten jungen Kritiker wiesen auf sein Werk hin, besprachen die laufenden Ausstellungen in den wichtigen Zeitschriften zur aktuellen Kunst. Die Künstlerkollegen schätzten den ruhigen und souveränen jungen Kollegen wegen seiner zurückhaltenden Art und seiner unglaublich eigenwilligen Kunst. Und so blieb es nicht aus, dass auch die progressiven Kuratoren und Ausstellungsmacher in den Institutionen alsbald auf diesen Einzelgänger, einen Drifter zwischen Amerika und Europa, aufmerksam wurden, der sich keiner der großen Zeitströmungen zuordnen ließ. Der Erfolg in den Institutionen kam schnell. Sein raumgreifendes Environment "The Tomb" (1968), das bald als „Death of a Hippie“ in aller Munde war, wurde zum herausragenden Objekt des an wirkmächtigen Bildern und Objekten nicht gerade armen Jahrzehnts. "The Tomb" wurde trotz seiner aufwendigen und für die damalige Zeit ungewöhnlichen Konzeption als „freistehendes Gebäude im Raum“ zur viel gezeigten Installation. Es wurde in verschiedenen Varianten und Zuständen – auch dies neu und äußerst progressiv von Thek und seiner Artist’s Coop eingerichtet – bis in die frühen 80er Jahre gezeigt. Mehrfach in den Vereinigten Staaten, aber auch in Europa und spektakulär dann zuletzt in Westkunst in Köln. Dort stellte Kasper König "The Tomb" neben "The Hospital" von Ed Kienholz, einem weiteren „Exilamerikaner“, und schrieb die Kunst von Paul Thek, der in den 70er Jahren viel Zeit in Europa verbracht hatte, damit endgültig in den Kanon der Avantgarden des 20. Jahrhunderts ein. Als einer der Hauptvertreter der schwer fassbaren „Individuellen Mythologien“ blieb Thek nach seinem Tod mehr Phantom als Künstler mit „greifbarem“ Werk.
Das kleine Leinwandbild "Wild Irish Rose" von 1980 gehört zu einer Gruppe von Bildern, deren ungewöhnliche Schroffheit des Motivs, ihr aus dem Moment geborener Pinselduktus und ihre scheinbare grell, aggressive Farbigkeit in deutlichem Gegensatz zu dem feinziselierten und perfekt ausgearbeiteten Zeichnungen und Objekten stehen, mit deren Erscheinung Theks Name bis dahin verbunden war. 1974 kehrt Paul Thek nach fast zehn Jahren des Unterwegsseins in Europa nach New York zurück. Die einstmals prosperierende Weltmetropole hat sich verändert, liegt wirtschaftlich am Boden, der New York Punk bestimmt die progressive Avantgarde. Thek versucht sich positiv neu zu bestimmen, verfasst dutzende von Tagebüchern und macht einen „neuen Anfang“. Im Diary „The Pubic Hare, Ego boom, the Live and Dialogues“ findet sich unter dem Datum vom 17. Juni 1979 der Satz: „(I also need ANOTHER HAND in the PAINTING, not all my own strokes. […] He painted the same painting for 20 years … never working for more than any 12 min conciousness span could permit.).“ Was sich wie eine Anleitung zur Methode liest wird auf der gegenüberliegenden Seite mit einer Zeichnung illustriert, die das Leinwandbild "Wild Irish Rose" augenblicklich leichter lesbar macht. Über dem als „Landschaft“ aufgefassten, liegenden Frauenakt schwebt das „irische Kleeblatt“.
Als Thek von Harry Szeemann zur Biennale „Art of the Seventies“ 1980 nach Venedig eingeladen wird, baut er dort mit Hilfe von Freunden ein riesiges Floß in den Ausstellungsraum dessen ganze Fläche von einer „Sandburg“ eingenommen wird, die den "Tower of Babel", das alte Symbol für die Zerrissenheit der Welt als kubistisch verschachtelte Architektur vorstellt, deren Einsturz gleich mehrfach gesichert erscheint. Während auf dem Floß Wecker um die Wette rasseln, hängen an den Wänden ringsum kleine und größere Bilder, in den von Thek mit Bedacht gewählten Bambus-Imitat-Rahmen. Die eigenartigen Rahmenleuchten sind Teil der Inszenierung, beleuchten sie doch ein Geschehen, das sonst im Dunkeln liegt. Kurz zuvor hatte Thek in seiner Ausstellung „Small Paintings“ bei der Brooks, Jackson Gallery Iolas in New York „a lot of little paintings“ gezeigt. Er ließ das Licht in der Galerie dimmen und stellte die „vielen kleinen Bilder“ mit eben diesen der bürgerlichen Inneneinrichtung entwendeten Leuchten ins „falsche“ Licht. Die eigenartig kitschige, durch die „falschen“ Goldrahmen noch gesteigerte Atmosphäre beschreibt Richard Flood im Artforum: „Die Strategie der Installation maß explizit literarische Titel an unbeständig auftauchenden Bildern und Ästhetiken. Das Zusammenführen von visuellen und verbalen Klischees, Verweisen auf hohe und niedere Kunst, schlingerte direkt in die „vegiftete Feige“-Kunstschule der Postmoderne.“ (zit. n. „Paul Thek. The Wonderful World, That Almost Was.“, Ausst.Kat. Witte de With, Rotterdam, Neue Nationalgalerie, Berlin, 1995, S. 191).
Das Bild "Wild Irish Rose" war zuletzt 2009 in der Ausstellung „Paul Thek – artista de artistas, obras y procesiones de 1958-1988“ im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía in Madrid ausgestellt und gehört zu den exemplarischen Gemälden dieser Zeit. [AH]



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Paul Thek
Wild Irish Rose, 1980.
Acryl auf Leinwand, im Künsterrahmen mit Bildle...
Schätzung:
€ 50.000
Ergebnis:
€ 112.500

(inkl. Käuferaufgeld)