Auktion: 428 / Klassische Moderne am 03./05.12.2015 in München Lot 250

 

250
Ernst Barlach
Der Bettler, 1930.
Bronze
Schätzung:
€ 200.000
Ergebnis:
€ 312.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Der Bettler. 1930.
Bronze mit dunkelbrauner Patina.
Laur 445-2. Schult 354. Links unten an der Plinthe mit dem Namenszug und der Nummerierung. Verso an der Plinthe mit dem Gießerstempel "H. Noack Berlin". Aus einer Auflage von 8 posthumen Exemplaren, die ab 1979 gegossen wurden. Der einzige 1930 ausgeführte und heute stark beschädigte Lebzeitguss befindet sich in der Sammlung der Ernst Barlach Stiftung Güstrow (Inv. Nr. P 229). Ca. 234 x 55 x 48 cm (92,1 x 21,6 x 18,8 in).
Gegossen von der Kunstgießerei Hermann Noack, Berlin.
Weitere Güsse befinden sich u.a. in folgenden Sammlungen:
Ernst Barlach Stiftung, Güstrow (Ex. 2/8).
St. Laurentiuskirche, Herne.
Los Angeles County Museum of Modern Art, Los Angeles.
Klosterhof, Dom zu Ratzeburg.
Der "Bettler" wurde von Barlach ursprünglich als Teil der "Gemeinschaft der Heiligen", eines Frieses aus drei überlebensgroßen Wandfiguren, für die Blendnischen der Katharinenkirche in Lübeck konzipiert. Zur Entstehung der Monumentalplastik schreibt Elisabeth Laur: "Bei einem Besuch des Lübecker Museumsdirektors Carl Georg Heise bei Barlach in Güstrow im Jahre 1929 entstand der Plan, für die Blendnischen an der Westfassade der Lübecker Katharinenkirche 16 überlebensgroße Figuren zu schaffen. In seinen Vorzeichnungen griff Barlach zunächst auf bereits entworfene Figuren zurück, besonders aus dem zwischen 1926 und 1935 entstandenen 'Fries der Lauschenden'. Von den sechs Modellen im Maßstab 1:4 wurden schließlich drei Figuren ausgeführt und in Senftenberg gebrannt." (zit. nach: Elisabeth Laur, Ernst Barlach. Das plastische Werk, Güstrow 2006, S. 212f.).
Einzige monumentale Bronze des Künstlers. Fast alle anderen Exemplare des "Bettlers" befinden sich heute in öffentlichen Sammlungen.
Mit einem Gutachten der Ernst Barlach Lizenzverwaltung, Ratzeburg, vom 14. Oktober 2015
Mit einer Fotoexpertise der Ernst Barlach Nachlassvertretung, Hamburg, vom 22. Oktober 2015.

PROVENIENZ: Privatsammlung Norddeutschland.

AUSSTELLUNG: Ernst Barlach. Mystiker der Moderne, Ernst Barlach Gesellschaft, Hamburg, Hauptkirche St. Katharinen, Hamburg 2003, S. 260.
Ernst Barlach. Bildhauer der Moderne, Kulturzentrum Istanbul und Ankara, 2006/2007.
Ernst Barlach - Käthe Kollwitz - Über die Grenze der Existenz, Museum of Contemporary Art, Teheran 2008.
Interventionen, Ernst Barlach in Münster, 2012.

LITERATUR: Anita Beloubek-Hammer, Ernst Barlach. Plastische Meisterwerke, Leipzig 1996, S. 120.

Die Größe des plastischen Werkes von Ernst Barlach liegt in seiner formalen Ausdruckskraft, die in der einfachen Bildsprache des Künstlers ihre Erfüllung findet. Fern jeglicher Beeinflussung durch die Kunstströmungen seiner Zeit, hat Ernst Barlach ein Menschenbild geformt, das trotz allen Verzichts auf Verismen von elementarer Wirkung auf den Betrachter ist und gerade auch vor dem Hintergrund zeitgenössischer gesellschaftlicher Entwicklungen und politischer Herausforderungen zu überzeugen vermag. Grundlegende Werte des sozialen Zusammenlebens wie Solidarität, Empathie und gesellschaftliche Verantwortung finden sich in der monumentalen Figur des "Bettlers" zeitlos und eindrucksvoll personifiziert. So kann die eigentlich für eine Wandnische konzipierte Gestalt des "Bettlers" ebenso in einer Umgebung überzeugen, die den schützenden Rahmen der Nische entbehrt. Gerade die Beschränkung auf wenige sinnlich wahrnehmbare Ausdrucksträger bestärken den Gesamtcharakter dieser Plastik, deren Sinngehalt sich offen vermittelt. Im Zusammenspiel aller seiner Kräfte und Möglichkeiten hat Ernst Barlach hier eine Leistung vollbracht, die ihn als überragenden Plastiker der deutschen Kunst der Moderne in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts kennzeichnet.



250
Ernst Barlach
Der Bettler, 1930.
Bronze
Schätzung:
€ 200.000
Ergebnis:
€ 312.500

(inkl. Käuferaufgeld)