Auktion: 419 / Klassische Moderne am 05.12.2014 in München Lot 317

 

317
Alexej von Jawlensky
Meditation (März 1936, N. 6), 1936.
Öl auf Papier
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 131.250

(inkl. Käuferaufgeld)
Meditation (März 1936, N. 6). 1936.
Öl auf Papier auf Karton aufgezogen.
Jawlensky/Pieroni-Jawlensky 1844 (mit Farbabb. S. 215). Links unten monogrammiert, recht unten datiert. Verso auf dem Unterlagekarton signiert, datiert und bezeichnet "III. N 6." sowie "I A"
Verso am Unterrand des Unterlagekartons von Lisa Kümmel nochmals bezeichnet: "III 1936 N 6". 18,8 x 12,4 cm (7,4 x 4,8 in).
In den seit 1935 von Jawlensky zusammengestellten Portfolios, die jeweils 10 Arbeiten gleicher Thematik enthielten, ist im Portfolio für Dr. Jim Sharp, San Francisco, das an Galka Scheyer, Jawlenskys Repräsentantin in den USA, am 28. September 1935 gesandt wurde, unter Position 3 ein Werk "III 1936 N.6" vermerkt. Das Portfolio enthielt sowohl Meditationen als auch kleine Stillleben (vgl. Jawlensky, Pieroni-Jawlensky, WVZ der Gemälde, Band III, S.44). [KD].
Unter den kleinen Meditationen wichtige Arbeit, die der Künstler selbst mit "I A" (d.i. besondere Qualität) bewertete.
Wir danken Frau Jawlensky-Bianconi, Alexej von Jawlensky-Archiv, Locarno, für die freundliche wissenschaftliche Beratung.

PROVENIENZ: Jim Sharp, San Francisco (1936 vom Künstler erworben)
E.V. THAW & CO., New York (verso auf dem Unterlagekarton mit dem Etikett).
Leonard Hutton Galleries, New York.
Hauswedell & Nolte, Auktion 199, 6. bis 8. Juni 1974, Los 771, S.221 (mit Abb).
Privatsammlung Deutschland.
Galerie Gunzenhauser, München.
Privatsammlung Baden-Württemberg (vom Vorgenannten erworben).

Als ehemaliger Offizier der zaristischen Armee beginnt Alexej von Jawlensky erst 1889 in St. Petersburg mit seiner künstlerischen Ausbildung. Er studiert bei Ilja Repin und lernt über diesen Marianne von Werefkin sowie Helene Nesnakomoff, seine spätere Frau, kennen. Mit beiden siedelt Jawlensky 1896 nach München über, um eine private Kunstschule zu besuchen. Hier lernt er Wassily Kandinsky kennen. Im Sommer 1908 arbeitet er mit Kandinsky, Marianne von Werefkin und Gabriele Münter erstmals zusammen in Murnau. Hier entsteht auch die Idee zur Gründung der "Neuen Künstlervereinigung München", zu der sich die vier Maler und andere Münchner Künstler 1909 zusammenschließen. Im Dezember desselben Jahres findet in München die erste Ausstellung der Gruppe statt. Zwei Jahre später wird der "Blaue Reiter" als neue große Idee einer künstlerischen Zusammenarbeit ins Leben gerufen. 1913 nimmt Jawlensky am "Ersten Deutschen Herbstsalon" Herwarth Waldens in Berlin teil. Als 1914 der Erste Weltkrieg beginnt, wird Jawlensky als russischer Staatsbürger aus Deutschland ausgewiesen. Er siedelt mit seiner Familie und Marianne von Werefkin nach St. Prex am Genfer See über und lebt bis 1921 in der Schweiz, wo er 1918 mit seinen abstrakten Köpfen beginnt. Anschließend lässt sich Jawlensky endgültig in Wiesbaden nieder. Der Künstler leidet seit 1929 unter einer fortschreitenden Lähmung und kann nur unter Schwierigkeiten malen. 1933 wird er von den Nationalsozialisten mit Ausstellungsverbot belegt. Im Jahr darauf beginnt der Maler mit der Reihe der kleinformatigen "Meditationen".

Nahezu in keinem seiner Sujets ist Alexej von Jawlensky "russischer" als in seinen Meditationen. Die Erfragung des Bildhaften im Porträt mündet bei Jawlensky in eine Auseinandersetzung mit dem Abbild an sich, die zur Ikone in des Wortes eigentlicher Bedeutung führt. Fast mit religiöser Inbrunst und von Krankheit gezeichnet, schafft Jawlensky in den späten dreißiger Jahren einen Bildtypus, der unverwechselbar und einmalig mit seinem Werk in Verbindung gebracht wird. Die Meditationen sind Ausdruck seines tief in der Religion verwurzelten Seins auf der Suche nach der Reinheit des Transzendenten, das über die Qual der Alltäglichkeit hinausweist. In seinen Meditationen findet Jawlensky zurück zu den Ursprüngen russischer Kunst, den Ikonen, deren jede Individualität entbehrender Ausdruck seiner Idee vom Urbild entgegenkommt. Selbst in den vielen Variationen, denen Jawlensky seine Meditationen unterwirft, bleibt der Grundtypus immer der gleiche. Es ist das einmal gesehene Ikon, das aus sich heraus eine magische Wirkung entfaltet und so keiner besonderen Interpretation bedarf.

1937 werden 72 seiner Werke als "entartet" beschlagnahmt. Vier Jahre später, 1941, stirbt Jawlensky in Wiesbaden. Sein Stil ist anfänglich beeinflusst von den "Fauves" und hier besonders von Matisse. Dann aber findet der Maler seinen eigenen expressionistischen Stil, dem eine starke Farbigkeit in einfacher Zeichnung zu eigen ist. In späterer Zeit werden stille, verinnerlichte Bilder des mystisch vergeistigten menschlichen Antlitzes kennzeichnend für Jawlensky.




317
Alexej von Jawlensky
Meditation (März 1936, N. 6), 1936.
Öl auf Papier
Schätzung:
€ 40.000
Ergebnis:
€ 131.250

(inkl. Käuferaufgeld)