Auktion: 419 / Klassische Moderne am 05.12.2014 in München Lot 207

 

207
Ernst Ludwig Kirchner
Häusergruppe vor Bäumen, Um 1913.
Bleistiftzeichnung
Schätzung:
€ 12.000
Ergebnis:
€ 12.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Häusergruppe vor Bäumen. Um 1913.
Bleistiftzeichnung und farbige Kreiden.
Rechts unten signiert. Verso von fremder Hand bezeichnet. Auf chamoisfarbenem Velin. 39,3 x 46,2 cm (15,4 x 18,1 in), blattgroß. [KD].

Landschaftsstudie von dynamisch-expressiver Strichführung.
Die Arbeit ist im Ernst Ludwig Kirchner Archiv, Wichtrach/Bern, registriert.

PROVENIENZ: Sammlung Gervais, Zürich/Lyon.

Nach dem Abschluss eines Architekturstudiums in Dresden, während Ernst Ludwig Kirchner Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff kennenlernt und mit diesen bereits künstlerisch zusammenarbeitet, entscheidet sich Ernst Ludwig Kirchner gegen den Wunsch seines Vaters ganz für die Malerei. Der intensive Austausch der vier Freunde führt 1905 zur Gründung der Künstlergemeinschaft "Brücke" mit dem Ziel "alle revolutionären und gärenden Kräfte an sich zu ziehen" (Schmidt-Rottluff). Die Künstler beginnen mit den "Viertelstundenakten", den Zeichnungen nach Aktmodellen im Atelier oder in der Natur. Die Gruppe orientiert sich zunächst an Künstlern des Spätimpressionismus. Die Entdeckung der Fauves, der Südsee-Kunst und van Goghs führt die Maler zum Expressionismus. Infolge der Begegnung mit der Kunst der italienischen Futuristen verändert sich der Malstil der Gruppe um 1910, er wird "härter". Ernst Ludwig Kirchner studiert die Plastik im Dresdner Völkerkundemuseum. Unter diesem Eindruck haut und schneidet Kirchner Holzplastiken. 1911 übersiedelt Ernst Ludwig Kirchner nach Berlin. Die Großstadt bietet ihm eine Fülle neuer Motive, die Kirchner in vereinfachten, scharf konturierten Formen, expressiven Zügen und grellen Farbkontrasten umsetzt. Diese Großstadtbilder werden zu Inkunabeln des Expressionismus und machen Ernst Ludwig Kirchner zu einem der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die folgenden Jahre bedeuten einen Wendepunkt in Kirchners Leben. Die Kriegsereignisse und der Militärdienst stürzen Kirchner in existenzielle Angst, führen letztlich zu Krankheit und langen Sanatoriumsaufenthalten. Um so bemerkenswerter ist seine künstlerische Produktion in dieser Zeit. Es entstehen Werke wie der Holzschnitt "Frauen am Potsdamer Platz", die "Bilder zu Chamissos Peter Schlemihl", die Selbstporträts und Holzschnittbildnisse aus den Sanatorien, die zu den Höhepunkten seines Œuvres zählen. 1917 lässt sich Ernst Ludwig Kirchner in Frauenkirch bei Davos nieder. Den Großstadtbildern folgen nun Gebirgslandschaften und Darstellungen ländlichen Lebens.

Die eher seltenen reinen Landschaftstudien im opulenten zeichnerischen Œuvre von Ernst Ludwig Kirchner sind in ihrer Sonderstellung deshalb beachtenswert, weil sich hier Kirchner, losgelöst vom Figuralen, einem zeichnerischen Sujet widmet, das hinsichtlich einer expressiven Gestaltung der Gesamtaussage vordergründig als wenig ergiebig galt. Einzig Emil Nolde und in Teilen noch Karl Schmidt-Rottluff haben in ihrem Werk der Landschaft ohne figürliche Staffage einen breiteren Raum gegeben. Kirchner sieht seine Landschaften wie figürliche Objekte. Er dynamisiert die Strichführung in kräftig-breitgelagerten Strichen. Die sparsame Kolorierung mit Fettkreiden verstärkt noch diesen Eindruck, indem sie auf alle Tendenzen ins Malerische abzugleiten verzichtet. Kirchner schafft sich in seinen Landschaften eine imaginäre Bühne, die gerade vom Menschen verlassen zu sein scheint.

Um 1920 beruhigt sich seine expressive Malweise, die Bilder erhalten eine teppichhafte Flächigkeit. Daneben entsteht ein bedeutendes grafisches Werk in Form von Holzschnitten, Lithografien und Federzeichnungen. 1923 zieht Ernst Ludwig Kirchner in das "Haus auf dem Wildboden" am Eingang zum Sertigtal, wo Kirchner bis zu seinem Freitod im Jahr 1938 lebt und arbeitet.




207
Ernst Ludwig Kirchner
Häusergruppe vor Bäumen, Um 1913.
Bleistiftzeichnung
Schätzung:
€ 12.000
Ergebnis:
€ 12.500

(inkl. Käuferaufgeld)