Auktion: 420 / Kunst nach 45 / Zeitgenössische Kunst am 06.12.2014 in München Lot 413

 

413
Johann Georg Müller
Selbstbildnis als Harlekin, 1954.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 20.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Selbstbildnis als Harlekin. 1954.
Öl auf Leinwand.
Nicht bei Scholzen/Roeber. Rechts oben signiert und datiert. Verso bezeichnet "9.53-". Auf dem Keilrahmen schwach leserlich datiert, betitelt und mit den Adressangaben des Künstlers. 80 x 45 cm (31,4 x 17,7 in).
[JS].

Wir danken Herrn Werner Scholzen, Hilden, für die freundliche Beratung.

PROVENIENZ: Privatsammlung Spanien.

Johann Georg Müller wird 1913 als Sohn eines Industriearchitekten in Ludwigshafen geboren. Bereits während seiner Schulzeit beginnt er sich im Zeichnen ausbilden zu lassen: zunächst am Schreibtisch seines Vaters, wo er das konstruktive Zeichnen lernt, später in abendlichen Zeichenkursen an der Freien Akademie Mannheim. Nach dem Abitur am Realgymnasium absolviert Johann Georg Müller eine Lehre zum Zimmermann, anschließend erfolgt ein Studium des Bauingenieurwesens. Dieses Studium bricht er nach kurzer Zeit ab und besucht weiter die Kurse Albert Henselmanns an der Freien Akademie Mannheim. Autodidaktisch setzt er sich mit den Werken Wilhelm Leibls und Hans Holbeins auseinander, was er später als entscheidend für seine künstlerische Entwicklung bezeichnen wird. Ab 1937 ist Müller freischaffend tätig, erhält aber 1938 Ausstellungsverbot. Etwas später wird er als Soldat für den Zweiten Weltkrieg rekrutiert. Nach dem Krieg lässt sich Müller in der Pfalz nieder und versucht, als Kunsthandwerker Fuß zu fassen. Ein einjähriges Atelierstipendium bringt ihn 1950 nach Koblenz. Kurz nach dem Krieg konzentriert sich Müller auf die Druckgrafik, mit dem Umzug in das neue Atelier entstehen nun wieder mehr Gemälde.

Deutlich treten uns in Johann Georg Müllers "Selbstbildnis als Harlekin" die charakteristischen Züge des Künstlers entgegen: der breite Nasenrücken, die tiefliegenden Augen und die breiten Lippen. Die Mimik zeigt darüber hinaus einen deutlichen Ausdruck von Trauer, der durch die dunkle blau-schwarze Farbgebung und die dramatische Lichtführung zusätzlich verstärkt wird und seinen Ursprung vermulich in der verzweifelten Stimmung der Kriegs- und Nachkriegsjahre hat. Auch die Rolle des Harlekins geht traditionell über die Rolle des Spaßmachers hinaus, repräsentiert zugleich Gefühle wie Melancholie und Schmerz. In absoluter Narrenfreiheit kommentiert und lenkt der Harlekin der Commedia dell´Arte seit dem 16. Jahrhundert die menschlichen Schicksale und äußert das, was andere nicht dürfen. Somit offenbart das von Johann Georg Müller in der vorliegenden Arbeit gewählte Rollenporträt in eindrucksvoller Weise das Selbstverständnis des Künstlers und ist zugleich als visuelle Definition der eigenen künstlerischen Profession lesbar.

1955 findet in der Galerie Spielhagen in Koblenz die erste Einzelausstellung des Künstlers statt. 1957 erwirbt die Stadt Koblenz das erste Gemälde Müllers für die Städtische Sammlung. 1960 begibt sich Johann Georg Müller auf eine mehrmonatige Reise nach Kreta, die seinem künstlerischen Schaffen neue Impulse geben wird. Das mediterrane Farben- und Lichtspiel inspiriert ihn zu seinen Pflanzenbildern, die neben den Maschinenbildern charakteristisch im Werk Johann Georg Müllers werden. Müller entwickelt seinen Stil vom Gegenstand ausgehend, dessen Darstellung geprägt ist vom konstruktiven Zerlegen eines Holzschneiders und technischen Zeichners. Doch fließt in die klare Formensprache eine gewisse Expressivität ein, und der teils architektonische Bildaufbau wird durch kontrastierende sowie stark schattierte Farben wesentlich unterstrichen. In den 1970er Jahren entstehen zahlreiche Arbeiten in diesem Stil. Er überträgt die biomorphe Formensprach der Pflanzenbilder auf sämtliche Bildthemen. In dieser Zeit erschließt sich Müller neue künstlerische Medien, er beschäftigt sich mit der Schwarz-Weiß-Fotografie und dem Schmalspurfilm. Bis zum Schluss arbeitet Johann Georg Müller täglich acht Stunden in seinem Atelier. Am 20. Juni 1986 stirbt der Künstler in Koblenz.




413
Johann Georg Müller
Selbstbildnis als Harlekin, 1954.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 20.000

(inkl. Käuferaufgeld)