Auktion: 409 / Klassische Moderne und Seitenwege der dt.Avantgard am 06.12.2013 in München Lot 328

 

328
Emil Nolde
Mädchenkopf, 1920.
Aquarell
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 91.500

(inkl. Käuferaufgeld)
Mädchenkopf. Um 1920/1925.
Aquarell und Tuschpinsel.
Rechts unten signiert. Auf Japanbütten. 33,2 x 28,6 cm (13 x 11,2 in), blattgroß.

Mit einer Fotoexpertise von Prof. Dr. Martin Urban, Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, vom 25. Juli 2000.

PROVENIENZ: Privatsammlung Süddeutschland.

Am 7. August 1867 wird Emil Hansen im deutsch-dänischen Grenzland geboren. Den Namen seines Heimatortes Nolde nimmt er später als Künstlernamen an. Nach einer Lehre als Möbelzeichner und Holzschnitzer 1884-88 in Flensburg arbeitet er für verschiedene Möbelfabriken in München, Karlsruhe und Berlin. 1892 erhält Emil Nolde am Gewerbemuseum in St. Gallen eine Stellung als Lehrer für gewerbliches Zeichnen, die er bis 1898 innehat. Dort, wo zunächst vor allem Landschaftsaquarelle und Zeichnungen der Bergbauern entstehen, wird Nolde durch kleine farbige Zeichnungen der Schweizer Berge bekannt. Mit dem Entschluss, Maler zu werden, geht Nolde schließlich nach München, doch die Akademie unter Franz von Stuck lehnt ihn ab. Es folgt ein Studium an der privaten Malschule von Adolf Hölzel in Dachau und ab 1899 an der Académie Julian in Paris. 1900 mietet er ein Atelier in Kopenhagen und zieht 1903 auf die Insel Alsen. Durch die Auseinandersetzung mit den Neoimpressionisten Vincent van Gogh, Edvard Munch und James Ensor gelangt Nolde ab 1905 von seinem anfänglich romantischen Naturalismus zu einem eigenständigen Stil, in dem die Farbe eine wesentliche Rolle spielt; es entstehen farbintensive, leuchtende Blumenbilder. 1906 lernt Nolde während eines Aufenthaltes in Alsen die "Brücke"-Maler kennen, deren Gruppe er sich vorübergehend anschließt. In einer Reihe von Porträtstudien beginnt die Hinwendung zum Aquarell. 1910 wird Emil Nolde nach einer Kontroverse mit Max Liebermann aus der "Berliner Sezession" ausgeschlossen und gründet mit anderen zurückgewiesenen Künstlern die "Neue Sezession", an deren Ausstellungen er bis 1912 teilnimmt. Weniger vom Berliner Großstadtleben, das er in einigen expressiven Bildern festhält, als vom Primitivismus fasziniert, malt Nolde Stillleben mit exotischen Figuren und Maskenbilder. Von einer Expedition nach Neu-Guinea 1913 bringt er reiches Studienmaterial mit, das er in zahlreichen Werken noch bis 1915 verarbeitet. Ab 1916 verbringt er den Sommer auf der Insel Föhr und lässt sich 1928 in Seebüll nieder.

Die Porträts von Emil Nolde vermitteln viel von der Lebenseinstellung des Malers. Fast menschenscheu, wie er mit seiner Frau Ada in Seebüll lebt, hat er doch hin und wieder Porträts gemalt, meist junge Frauen, die vor einem imaginären Hintergrund groß und geheimnisvoll die Bildfläche füllen. So anonym die Porträtierten geblieben sind, so mystisch verklärt, wie Nolde sie sieht, sind sie unnahbar und präsent zugleich. Am 9. Oktober 1926 schreibt Emil Nolde: "Es ist der Künstler ein sensibles lärmscheues Wesen, oft leidend, sich verzehrend in Sehnsucht. Menschen sind fast alle seine Feinde, die Freunde, seine Nächsten die schlimmsten. Hinter Mauern lebt der Künstler, zeitlos, selten im Flug, oft im Schneckenhaus. Seltsames, tiefstes Naturgeschehen liebt er, aber auch die helle offene Wirklichkeit, die ziehenden Wolken, blühende glühende Blumen, die Kreatur. Unbekannte, ungenannte Menschen sind seine Freunde" (zit. nach: Ernst Gosebruch, Emil Nolde, Lübeck 1947, S. 2). Etwas von dieser schmerzhaft empfundenen Weltflucht lässt sich auch in seinen Porträts erkennen. Das dämmernde Dunkel, das viele seiner Porträtierten umgibt, macht sie geheimnisvoll und unnahbar. Und doch ist da das sinnliche Moment einer alles beherrschenden Farbigkeit, die Emil Nolde auch in den Porträts als bestimmendes Ausdrucksmittel zum Klingen bringt. Sie dominiert eine Komposition, der es an Eindringlichkeit der Gestaltung nicht mangelt. Nolde beweist auch hier seine Souveränität im Umgang mit dem Aquarell, das in ungeahnter Dichte der Farbwerte seine Erfüllung sieht.

Von den Nationalsozialisten als Künstler verfemt, dazu ab 1941 mit Arbeitsverbot belegt, malt Nolde ab 1938 in Seebüll seine "Ungemalten Bilder", viele hundert kleine Aquarelle, die er nach 1945 als Ölbilder wieder aufgreift. In den letzten Lebensjahren entstehen vor allem Aquarelle mit Blumen- und Landschaftsmotiven aus der näheren Umgebung seines Hauses in Seebüll, wo Nolde am 13. April 1956 stirbt. [KD].




328
Emil Nolde
Mädchenkopf, 1920.
Aquarell
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 91.500

(inkl. Käuferaufgeld)