Auktion: 409 / Klassische Moderne und Seitenwege der dt.Avantgard am 06.12.2013 in München Lot 354

 

354
Wilhelm Thöny
Spaziergänger im Park, 1922.
Öl auf Papier
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 73.200

(inkl. Käuferaufgeld)
Spaziergänger im Park. 1922/23.
Öl auf Papier, auf Leinwand aufgezogen.
Holler-Schuster/Steinle 109. Rechts unten signiert. 39,5 x 38,5 cm (15,5 x 15,1 in).

PROVENIENZ: Privatsammlung Hessen.

LITERATUR: Hrsg. Günther Holler-Schuster, Christa Steinle. Wilhelm Thöny. Im Sog der Moderne, Kerber Verlag Bielefeld, erschienen anlässlich der gleichnamigen Ausstellung in der Neue Galerie Graz/ Universalmuseum Joanneum, 24. Mai bis 22. September 2013, Farbtafel 44.

Wilhelm Thöny, eine der profiliertesten und zugleich zu wenig bekannten Künstlerpersönlichkeiten der österreichischen Avantgarde, wird im Jahr 1888 in Graz geboren. An der Landeskunstschule seiner Geburtsstadt erhält er ersten Unterricht, bevor er 20-jährig nach München übersiedelt. Hier schreibt sich Wilhelm Thöny an der Kunstakademie ein und wird 1913 zu einem Gründungsmitglied der Neuen Secession. In diesen Jahren arbeitet er vor allem als Illustrationskünstler. Dann bricht der Erste Weltkrieg aus. Wilhelm Thöny steht als Maler an der Front und fertigt Schlachtenbilder. Nach Kriegsende lässt er sich kurzzeitig in der Schweiz nieder, reist dann erneut nach München und siedelt sich schließlich wieder in seiner Heimatstadt an.

Das malerische Schaffen von Wilhelm Thöny steht etwas im Schatten seiner reichen Illustrationstätigkeit in Aquarell und Zeichnung. Wohl in Erinnerung an die fruchtbare Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, vor allem aber an die Straßenszenen von August Macke, sind die "Spaziergänger im Park" zu Beginn der 1920er Jahre entstanden. Das Gemälde zeigt noch einen verfestigten, vom Spätimpressionismus beeinflussten Malstil, den Thöny später zugunsten einer Malweise in amorpher Formgebung aufgab. Die illusionistische Raumkonstruktion mit den drei Personen vor einer Baumreihe wird durch eine farblich sehr diffus gestaltete Umgebung in eine stark malerische Atmosphäre gehoben. Wilhelm Thöny wendet hier Stilmittel an, die seinen weiteren Weg bestimmen sollten.

1923, im Jahr der Rückkehr, hebt Wilhelm Thöny hier gemeinsam mit Fritz Silberbauer, Alfred Wickenburg und Axel Leskoschek die "Grazer Secession" aus der Taufe. Noch bis weit in diese Grazer Zeit hinein zeigen seine figurativen Malereien und Grafiken in ihrem düsteren Kolorit und der bedrückenden Stimmung und Motivik die Nachwirkungen der Kriegserlebnisse. 1931 zieht es Wilhelm Thöny nach Frankreich, wo nun in leichterem Duktus, lebendig-frischem Kolorit und hellem Licht einige seiner bedeutendsten Arbeiten entstehen. 1938 wird dann New York zur neuen Heimat, und auch hier schafft Thöny wichtige Landschaften und Figurenstücke. Als sich nach Kriegsende langsam Erfolge für seine Kunst abzeichnen, geschieht ein großes Unglück: 1948 vernichtet ein Feuer einen Großteil des Œuvres, das Wilhelm Thöny in einem Lager für eine Ausstellung zusammengestellt hatte. Nur wenige Werke bleiben der Nachwelt erhalten. Diese jedoch zeigen einen Meister der Avantgardekunst, der in jüngerer Zeit zunehmend als solcher erkannt wird: 2013 zeigt die Neue Galerie Graz - Universalmuseum Joanneum eine umfassende Retrospektive, 2014 erhält dann auch die dortige Dauerausstellung einen neuen Schwerpunkt, der den künstlerischen Rang von Wilhelm Thöny innerhalb der Avantgardekunst deutlich machen soll. Wilhelm Thöny selbst kann seinen Triumph nicht erleben. Er verstirbt bereits kurz nach dem Brandunglück im Jahr 1949 in seiner Wahlheimat New York. [KD].




354
Wilhelm Thöny
Spaziergänger im Park, 1922.
Öl auf Papier
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 73.200

(inkl. Käuferaufgeld)