Auktion: 386 / Moderne Kunst am 10.12.2011 in München Lot 62

 
Ernst Ludwig Kirchner - Graphik besehende Herren (Dr. Bauer und Dr. Hans Mardersteig)


62
Ernst Ludwig Kirchner
Graphik besehende Herren (Dr. Bauer und Dr. Hans Mardersteig), 1922.
Holzschnitt
Schätzung:
€ 15.000
Ergebnis:
€ 34.160

(inkl. Käuferaufgeld)
Holzschnitt.
Dube H 477a II (von II). Schiefler H 468. Rechts unten vom Künstler betitelt, links unten handschriftlich bezeichnet. Verso mit dem Nachlassstempel des Kunstmuseums Basel (Lugt 1570b) und der handschriftlichen Registriernummer "H 468". Einziges bekanntes Exemplar dieses Druckzustandes. Auf festem Maschinenjapan. 70 x 40 cm (27,5 x 15,7 in). Papier: 78,3 x 44 cm (30,8 x 17,3 in).
Vorzüglicher, in allen Schwärzen klar zeichnender Druck des zweiten Zustands nach den Änderungen in der Querleiste oben und der Binnenzeichnung in der Hose des Stehenden rechts.

Wir danken Herrn Prof. Dr. Günther Gercken, Lütjensee, für die freundliche wissenschaftliche Beratung.

PROVENIENZ: Nachlass des Künstlers.
Galerie Wolfgang Ketterer, München.
Privatsammlung Süddeutschland.

AUSSTELLUNG: Ernst Ludwig Kirchner. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Graphik, Galerie Wolfgang Ketterer, München, 6.9.-26.10.1985, Kat.Nr. 270 (mit Abb.).

Nach dem Abschluss eines Architekturstudiums in Dresden, während dem Ernst Ludwig Kirchner Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff kennenlernt und mit diesen bereits künstlerisch zusammenarbeitet, entscheidet sich Kirchner ganz für die Malerei. Der intensive Austausch der vier Freunde führt 1905 zur Gründung der Künstlergemeinschaft "Die Brücke". Die Gruppe orientiert sich zunächst an Künstlern des Spätimpressionismus. Die Entdeckung der Fauves, der Südsee-Kunst und van Goghs führt die Maler zum Expressionismus. Infolge der Begegnung mit der Kunst der italienischen Futuristen verändert sich der Malstil der Gruppe um 1910, er wird "härter". Ernst Ludwig Kirchner studiert die Plastik im Dresdner Völkerkundemuseum und haut und schneidet unter diesem Eindruck selber Holzplastiken. 1911 übersiedelt Kirchner nach Berlin. Die Großstadt bietet ihm eine Fülle neuer Motive, die er in vereinfachten, scharf konturierten Formen, expressiven Zügen und grellen Farbkontrasten umsetzt. Diese Großstadtbilder werden zu Inkunabeln des Expressionismus und machen Kirchner zu einem der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die folgenden Jahre bedeuten einen Wendepunkt in Kirchners Leben. Die Kriegsereignisse und der Militärdienst stürzen Kirchner in existenzielle Angst, führen zu Krankheit und langen Sanatoriumsaufenthalten. Um so bemerkenswerter ist seine künstlerische Produktion in dieser Zeit. 1917 lässt er sich in Frauenkirch bei Davos nieder. Um 1920 beruhigt sich seine expressive Malweise, die Bilder erhalten eine teppichhafte Flächigkeit. Daneben entsteht ein bedeutendes grafisches Werk in Form von Holzschnitten, Lithografien und Federzeichnungen.

In dem reichen grafischen Schaffen von Ernst Ludwig Kirchner nimmt der Holzschnitt einen besonders breiten Raum ein. In der konzentrierten Form seiner Aussage ist er die bevorzugte Technik Kirchners, der in ihr das geeignete Medium der Verwirklichung seiner Ideen sieht. Die an sich spröde Technik fordert den Künstler in einer Weise, die sich in den auf das Wesentliche konzentrierten Bildaussagen manifestiert. Zwei Sammler, die hier fast zu einer Einheit verschmelzen, betrachten grafische Blätter, Holzschnitte, wie unschwer zu erkennen. Kirchner unterteilt das schmale Hochformat deutlich in zwei Hell-Dunkel-Partien, die der Komposition eine zusätzliche Dynamik verleihen. Die kompakte Fläche des Schwarz wird nur mit wenigen Schnitten aufgehellt, da Kirchner sich auf die eigentliche Aktion konzentriert: die leicht gesenkten Köpfe in Betrachtung der Grafik. Es entsteht eine Wechselwirkung zwischen den beiden aussagewirksamsten Teilen der Komposition, die nur durch die ruhige Fläche des Schwarz unterbrochen wird. Eine die Darstellung oben abschließende Querleiste, von Ernst Ludwig Kirchner in unserer zweiten Fassung durch parallele Linien aufgehellt, dient der Intimität des Geschehens.

1923 zieht Ernst Ludwig Kirchner in das "Haus auf dem Wildboden" am Eingang zum Sertigtal, wo er bis zu seinem Freitod im Jahr 1938 lebt und arbeitet. [KD].




62
Ernst Ludwig Kirchner
Graphik besehende Herren (Dr. Bauer und Dr. Hans Mardersteig), 1922.
Holzschnitt
Schätzung:
€ 15.000
Ergebnis:
€ 34.160

(inkl. Käuferaufgeld)