Auktion: 380 / Moderne Kunst am 04.06.2011 in München Lot 38

 
Hermann Scherer - Mutter


38
Hermann Scherer
Mutter, 1924.
Holzskulptur
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 103.700

(inkl. Käuferaufgeld)
Holzskulptur
100 x 42 x 52 cm (39,3 x 16,5 x 20,4 in), inklusive Sockel
Der Sockel wurde später hinzugefügt.

Mit einem Schreiben von Herrn Martin Schwander, Basel. Die Arbeit wird in das von ihm geführte Werkverzeichnis Hermann Scherers aufgenommen.

PROVENIENZ: Privatsammlung Süddeutschland.

Der Bildhauer, Maler und Holzschneider Hermann Scherer wird 1893 in Rümmingen im Schwarzwald geboren. Nach seiner Schulausbildung absolviert er eine Steinmetzlehre in Basel. Ab seinem 21. Lebensjahr ist er Schüler des Schweizer Bildhauers Otto Roos und von 1918 bis 1921 Assistent von Carl Burckhardt. In dieser Zeit entstehen Scherers erste klassizistisch-akademisch geprägte Skulpturen, die sein Frühwerk ausmachen. Nach der Trennung von Burckhardt im Jahr 1921 wendet sich Hermann Scherer von der idealistischen plastischen Auffassung ab und es kommt zu einem radikalen Bruch in seinem Werk, im Zuge dessen er einen Großteil seiner vorangegangenen Werke zerstören lässt. In dieser Schaffensphase erhält Scherer seine erste Ausstellungsbeteiligung in der Basler Kunsthalle und eines seiner Objekte wird erstmals von einer öffentlichen Sammlung angekauft. Durch den Besuch der Edvard-Munch-Ausstellung 1922 im Kunsthaus Zürich wird der Künstler in seinem Entschluss bestärkt, sich neben der Bildhauerei auch der Malerei zu widmen. Maßgeblich wird Scherer jedoch durch den Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner beeinflusst, dem er im Sommer 1923 bei der Hängung seiner Ausstellung in der Kunsthalle Basel assistiert. Daran anschließend wird er von Kirchner zu einem Arbeitsaufenthalt nach Frauenkirch bei Davos eingeladen, wodurch sich eine intensive Freundschaft entwickelt. In der folgenden Zeit verbringt Hermann Scherer viel Zeit in Frauenkirch, wo eine Vielzahl seiner Zeichnungen, Gemälde, Holzschnitte und vor allem Holzskulpturen entstehen, die alle den unmittelbaren Einfluss seines Freundes erkennen lassen.

In seinen Holzskulpturen sucht Hermann Scherer den rohen unverbrauchten Ausdruck, den er nur im Primitiven zu finden glaubt. Jede Vergeistigung, der auch eine ästhetische Formung folgt, scheint ihm angesichts einer Brutalisierung der Umstände menschlichen Lebens nicht vermittelbar. Stark an Plastiken von Ernst Ludwig Kirchner orientiert, die in ihrem rohen Formengut wiederum von der Kunst der Naturvölker beeinflusst sind, schafft Hermann Scherer Einzelfiguren und Figurengruppen, die in ihrer massiven Körperlichkeit an die Kreation, das Ursprüngliche erinnern. Die unvollendete Fassung "Mutter" lässt den Werdegang ihrer Gestaltung geradezu exemplarisch nachvollziehen. Die Skulptur wächst förmlich aus dem Holzstock und bleibt doch Teil von ihm. Das Kreativ-Ursprüngliche ist der Kern der Aussage, die sich nicht umsonst in dem Titel "Mutter" manifestiert.

1924 ist Scherer bereits an der wichtigen "Ausstellung Neuerer Deutscher Kunst" mit drei Holzskulpturen vertreten. In der Silvesternacht 1924/25 gründet Scherer gemeinsam mit seinen jungen Basler Kollegen Albert Müller und Paul Camenisch die Künstlergruppe "Rot-Blau", nach dem Vorbild der Dresdner Künstlervereinigung "Brücke". Ihr Zusammenschluss folgt zwar keinem expliziten Programm, doch lässt sich die stilistische Verwandtschaft zu ihrem Mentor Ernst Ludwig Kirchner nicht verbergen und richtet sich gegen die "dunkeltonige" Malerei ihrer Zeitgenossen. Nach nur drei Ausstellungen löst sich die Gruppe "Rot-Blau" 1926 wieder auf, da Müller 1926 unerwartet stirbt und auch Hermann Scherer im selben Jahr erkrankt und 1927 im Alter von 34 Jahren in Basel seiner Krankheit erliegt. Anlässlich seines Todes wird Hermann Scherer von Künstlern wie Kirchner und Kunstkritikern wie Georg Schmidt in der Presse gewürdigt. 1928 findet in der Kunsthalle Basel eine große Gedächtnisausstellung statt. [KD].




38
Hermann Scherer
Mutter, 1924.
Holzskulptur
Schätzung:
€ 20.000
Ergebnis:
€ 103.700

(inkl. Käuferaufgeld)