Auktion: 362 / Alte und Neuere Meister am 12.12.2009 in München Lot 53

 
Medardo Rosso - Bambina ridente - Lachendes Kind


53
Medardo Rosso
Bambina ridente - Lachendes Kind, 1902.
Bronze
Schätzung:
€ 30.000
Ergebnis:
€ 75.640

(inkl. Käuferaufgeld)

Bronze. Eigenhändiger Guss Medardo Rossos
Circa 22 x 15,5 x 18,5 cm (8,6 x 6,1 x 7,2 in)
Die einzige photographisch dokumentierte Bronzeversion des "Lachenden Kindes" ist in einem 1902 publizierten Artikel der "Illustrirten Zeitung" zu finden, der anlässlich einer im Kunstgewerbemuseum in Leipzig stattgefundenen Ausstellung erschien. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um ein Unikat.

Mit einer schriftlichen Foto-Expertise von Frau Dr. Paola Mola, Mailand, vom 19. Oktober 2009. Die Bronze konnte nicht mehr rechtzeitig in das soeben erschienene Werkverzeichnis aufgenommen werden.

PROVENIENZ: Privatbesitz Sachsen (1987 im Dresdner Kunsthandel erworben).

AUSSTELLUNG: Vgl. Paola Mola, Fabio Vittucci (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit dem Museo e Archivio Medardo Rosso, Barzio - Medardo Rosso: la forma instabile - Ausstellungs-Kat., Peggy Guggenheim Museum, Venedig, 22.9.2007-6.1.2008, Mailand 2007.

LITERATUR: "Illustrirte Zeitung", 25. September 1902, Nr. 3091, Seite 481.
Vgl. Paola Mola, Fabio Vittucci - Medardo Rosso, Catalogo ragionato -, Mailand 2009, Seite 108-112, Abb. Seite 13, 270 und 354.

Medardo Rosso wird am 21. Juni 1858 als Sohn eines Bahnhofsvorstehers in Turin geboren, wo die Familie zunächst lebt, bevor sie 1870 nach Mailand zieht. In die Zeit seines Militärdienstes, den er von 1879 bis 1881 in Pavia absolviert, fallen seine ersten künstlerischen Schritte. Von den Landschaften und Interieurstücken, die in dieser Zeit entstanden sein sollen, ist jedoch keine Arbeit überliefert. Eine Büste seines dortigen Lehrers, Pacifico Busto, gilt als erstes bildhauerisches Werk. Nach Mailand zurückgekehrt, unterhält der junge Künstler sein erstes Atelier. 1882 tritt er in die Accademia di Brera ein, wird jedoch aufgrund disziplinarischer Vergehen ein Jahr später wieder ausgeschlossen. Bereits früh zeigt sich Medardo Rossos rebellischer, der progressiven Entwicklung der Kunst verpflichtete Geist, der sein Schaffen zeitlebens begleiten und prägen wird. Seine engen Kontakte zu Mitgliedern der Mailänder "Scapigliatura"-Gruppe, die ähnlich den Impressionisten die Erneuerung der Kunst fordert, verdeutlicht dies. Im selben Jahr stellt er vier Werke auf der "Esposizione Internazionale di Belle Arti" in Rom aus. Es folgen weitere Ausstellungen, so u.a. auf dem "Salon des Champs Elysées" und dem "Salon des Indépendants", an welchen der nun verheiratete Künstler teilnimmt. Nach einem kurzen Aufenthalt in Wien stellt er 1887 auf der Biennale in Venedig aus, 1888 in der Royal Albert Hall in London. 1889 zieht Medardo Rosso, nach der Trennung von seiner Frau, nach Paris, wo er bereits kurz nach seiner Ankunft ein Atelier unterhält. Dort lernt er 1893 Auguste Rodin kennen, der ihm, von den bildhauerischen Werken begeistert, den Tausch zweier Arbeiten anbietet. Ab 1896 bezieht Medardo Rosso eine Wohnung mit eigener Gießerei. Der letzte Entwurf des "Balzac", den Rodin auf dem Salon von 1898 vorstellt, führt zum Zerwürfnis zwischen beiden Künstlern, sieht Medardo Rosso den vorgestellten Entwurf in seiner Konzeption doch deutlich von seinem eigenen Werk beeinflusst. 1902 nimmt der Künstler die französische Staatsbürgerschaft an. 1903 nimmt er erfolgreich an der 16. Wiener Sezessionsausstellung teil, die Werke des Impressionismus zeigt. 1904 veröffentlicht Julius Meier-Graefe seine vielbeachtete Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst, in der er u.a. die Eindrücke eines Atelierbesuches bei Medardo Rosso schildert. Im selben Jahr zeigt der Pariser "Salon d'automne" Werkgruppen von Medardo Rosso, Cézanne und Renoir, wobei die Arbeiten Rossos das besondere Interesse der Kritiker wecken. Als Meister impressionistischer Plastik wird er Rodin vorgezogen. Weitere Ausstellungsteilnahmen, Einzelausstellungen sowie Ankäufe seiner Arbeiten durch internationale Sammlungen folgen. Nach Aufenthalten in Italien und der Schweiz entschließt sich Medardo Rosso 1922, endgültig in seine italienische Heimat zurückzukehren. In seinem Atelier in Mailand setzt er seine Arbeiten fort, zu seinen letzten Ausstellungsprojekten gehört die Teilnahme an der "Exhibition of Modern Italian Art" in New York sowie an der "Exposición International de Pintura y Escultura" in Madrid. 1928 stirbt der Künstler an den Folgen eines Atelierunfalls.

Im Oktober 1889 verbringt Medardo Rosso einige Wochen im Hôpital Laborisière in Paris, wo er die Tochter des dortigen Verwaltungsleiters Marie-Jacques Enjolras porträtiert. Ausführungen in Gips, Terracotta, Wachs und Bronze entstehen und werden unter den Titeln "Bambina ridente" und "Bambina che ride" bekannt. Wie auch Maillol und Rodin ist Medardo Rosso als Neuerer der Geschichte der Modernen Skulptur zu verstehen, wobei er seinen ganz eigenen, kompositorischen wie wahrnehmungsästhetischen Regeln folgt. Es ist der spontane Ausdruck, der Moment einer bestimmten Wahrnehmung, die Wiedergabe einer bestimmten künstlerischen Empfindung, die das Interesse des Künstlers wecken und die er plastisch umzusetzen versucht. So sind seine, in ihrer überwältigenden Lebendigkeit beeindruckenden Bildnisse dem Realismus Desiderio da Settignanos (um 1430 Settignano - 1464 Florenz) verpflichtet, erreichen jedoch durch ihre Formensprache eine weitere Dimension künstlerischen Schaffens. Der Moment, den Medardo Rosso einzufangen versucht, ist in seiner künstlerischen Umsetzung den Regeln seines eigenen ästhetischen Empfindens unterworfen, welche das Auflösen der Umrisslinie wie auch die strikte Ablehnung akademischer Normierung verlangen. Dabei kann der zu vermittelnde Moment von nur einem einzigen Punkt aus wahrgenommen und wiedergegeben werden, was den Arbeiten jede Form der Allansichtigkeit versagt. Offene, skizzenhaft modellierte Oberflächenstrukturen, die der Künstler durch die Verwendung flexibler Gelatinegussformen erzielt, spielen mit Licht und Schatten und erlauben das Umreißen einer künstlerischen Idee, wobei das gewählte Material nicht hinsichtlich seiner Materialität interessiert, sondern zum experimentellen Träger des zu vermittelnden Moments wird. Worin letztlich die Qualität bildhauerischer Kunst liegt, hat Medardo Rosso mit eigenen Worten beschrieben:
"Der Bildhauer muss, in einer Art Bündelung der gewonnenen Eindrücke, all das wiedergeben, was seine eigene Empfindsamkeit berührt hat, damit man, wenn man sein Werk betrachtet, das Gefühl in seiner Ganzheit spürt, das ihn bei der Beobachtung der Natur ergriff". [CM].




53
Medardo Rosso
Bambina ridente - Lachendes Kind, 1902.
Bronze
Schätzung:
€ 30.000
Ergebnis:
€ 75.640

(inkl. Käuferaufgeld)