Lexikon
Pointilismus

Der Pointillismus (frz. point = Punkt) bezeichnet eine Form des Neoimpressionismus, die schwerpunktmäßig von etwa 1883/84 bis 1910 Anwendung fand. Hatte sich die impressionistische Malerei auf den flüchtigen Eindruck, auf Farbwirkungen und Stimmungen konzentriert und somit das Abbilden über das Abgebildete gestellt, setzten die Pointillisten verstärkt auf die Bedeutung und Wirkkraft der Farbe.
Schon die Impressionisten, etwa Claude Monet, strebten mit ihren "Farbkommata" in reinen Tönen eine optische Mischung der Farbwerte im Auge des Betrachters an. Doch erst Georges Seurat (1859-91) war es, der dieses Prinzip konsequent weiterentwickelte und seine Gemälde ab etwa 1883/84 nur mehr aus gleichgroßen Punkten in ungebrochenen Farben rasterartig zusammenfügte. Beispielhaft zeigt sich dieses Stilprinzip im "Gründungswerk" des Pointillismus, dem Gemälde "Un dimanche après-midi à l'Île de la Grande Jatte" (Ein Sonntagnachmittag auf der Insel Grande Jatte) von 1884.
Georges Seurats Pointillismus stützte sich auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse von Optik und Farbtheorie, etwa Eugène Chevreuls Lehre vom Simultankontrast oder Untersuchungen von Hermann von Helmholtz, James Clerk Maxwell, Charles Henry und Ogden Nicholas Rood. Auch die Kunsttheorie begünstigte die Entwicklung des Pointillismus, dessen Grundannahme die Entstehung eines Farbwertes erst im Auge des Betrachters bildete. Hieraus resultierte die malerische Zerlegung jeder Farbe in reine und klare Einzelwerte, ein Prinzip, das Georges Seurat auch als "Chromo- Luminarismus" oder "Divisionismus" charakterisierte. Beide Begriffe können synonym für Pointillismus verwendet werden.
Die wissenschaftliche Fundierung des Pointillismus und die daraus resultierende, abstrahierende und künstlerisch überhöhende Darstellungsweise grenzt den Pointillismus von der "Eindrucksmalerei" des Impressionismus und ihrem auf dem Realismus aufbauenden Pleinair-Prinzip deutlich ab. Mit seiner strikten und konsequenten Loslösung von der Lokalfarbigkeit und von der klar umrissenen Form steht der Pointillismus bereits auf der Schwelle zur Abstraktion und kann als wesentlicher Vorbereiter dieser Entwicklung gewertet werden.
Dem Begründer des Pointillismus, Georges Seurat, schlossen sich bald einige französische Impressionisten an. Am konsequentesten verfolgte Paul Signac den Stil weiter, daneben sind Henri Edmond Cross, Camille Pissarro und dessen Sohn Lucien, Charles Angrand, Albert Dubois-Pillet und andere zu nennen. Auch im Ausland fand der Pointillismus teils reiche Aufnahme: In Belgien verbreitete er sich über Künstler der Gruppe "Les Vingt", in Holland nahm Jan Toorop den Stil auf, in Deutschland experimentierte etwa Paul Baum mit dem Prinzip des Pointillismus.