Lexikon
Nouveau Realisme

In Opposition zu abstrakt-gestischen Positionen wie Informel, Tachismus oder Action Painting wendeten sich Künstler wieder verstärkt der realen Lebenswirklichkeit zu. Auf praktischer Ebene fand dieses Prinzip durch die Einbeziehung von Alltagsgegenständen in die Kunstwerke visuellen Ausdruck.
In Frankreich setzte diese Bewegung gegen Ende der 1950er Jahre ein und wurde als Nouveau Réalisme bezeichnet. Außerhalb Frankreichs, wo sich die gleichen Tendenzen nachweisen lassen, ist die Strömung des Nouveau Réalisme auch unter dem Begriff "Neodada" bekannt, in den USA ist es der "New Realism", der schließlich in die Pop Art münden wird.
Die Künstler des Nouveau Réalisme gelangten in der Folge zu phantasievollen, bisweilen witzigen Lösungen: Arman (1928-2005) verarbeitete gebrauchte Alltagsgegenstände oder Müll zu Materialanhäufungen, den sogenannten Akkumulationen. Jean Tinguely (1925-91) kommentierte den technischen Fortschritt mit kinetischen Schrottmaschinen, die sich manchmal, begleitet von tosendem Lärm, selbst zerstörten. Daniel Spoerri (geb. 1930) verarbeitete die Wechselwirkung von Leben und Kunst im sogenannten Fallenbild ("tableau-piège"), in dem Relikte von Situationen aufgegriffen und beispielsweise Teller, Besteck und Speisereste nach einer Mahlzeit unverändert auf dem Tisch befestigt und so zu einem Kunstwerk umgedeutet werden. Auch Christos (geb. 1935) Verhüllungen, mit denen er die Wahrnehmung von bekannten Alltagsobjekten herausfordert, sind dem Umkreis des Nouveau Réalisme zuzurechnen.
Die Bedeutung des französischen Nouveau Réalisme wird durch die Künstlergruppe "Nouveaux Réalistes" unterstrichen, die 1960 gegründet wurde und der unter anderem Arman, Gérard Deschamps, Raymond Hains, Niki de Saint Phalle, Daniel Spoerri und Jean Tinguely angehörten.