Auktion: 419 / Klassische Moderne am 05.12.2014 in München Lot 328

 

328
Egon Schiele
Liegender weiblicher Akt mit angezogenen Beinen, 1913.
Gouache
Schätzung:
€ 300.000
Ergebnis:
€ 925.000

(inkl. Käuferaufgeld)
Liegender weiblicher Akt mit angezogenen Beinen. 1913.
Gouache, Aquarell und Bleistift.
Nicht bei Kallir. Rechts unten signiert und datiert. Auf Velin. 32 x 48,3 cm (12,5 x 19 in).
Vgl. für das Modell Kallir 1260.
Schieles expressive Kompositionen der frühen 1910er Jahre, die exzentrische Akte mit leuchtenden Farbakzenten ins Format setzen, gehören auf dem internationalen Auktionsmarkt zu den gefragtesten Werken des Künstlers.
Mit einer Fotoexpertise von Jane Kallir, New York vom 15. November 2014. Die vorliegende Zeichnung ist im Archiv von Frau Jane Kallir, New York, unter der Nummer "D. 1259a" registriert und wird in den unpublizierten Nachtrag zum Werkverzeichnis aufgenommen.

PROVENIENZ: In den siebziger Jahren im Wiener Kunsthandel erworben, seitdem im Besitz einer bedeutenden deutschen Privatsammlung.

Egon Schiele wird am 12. Juni 1890 in Tulln an der Donau geboren. Nach der großen Klimt-Ära wird Egon Schiele der Maler werden, der die Wiener Kunstszene am Anfang des 20. Jahrhunderts nachhaltig prägt. 1906 tritt der junge Schiele in die noch sehr traditionellen Disziplinen verhaftete Klasse des Historien- und Porträtmalers Christian Griepenkerl an der Wiener Akademie ein. Dort hinterlassen die auferlegten Studien, die Schiele nur widerwillig praktiziert, keine weiteren Spuren in seinem persönlichen Stil. Ihn beeindruckt vielmehr der lineare Flächenstil von Gustav Klimt und der Sezessionisten, die als Künstlergemeinschaft gegen die starren akademischen Konventionen des Historismus und für eine Versöhnung von Kunst und Leben eintritt. Nachdem sich Schiele, auch als Akt von Rebellion gegen die Dogmatik der Ausbildung zunehmend Klimt'sche Gestaltungsprinzipien aneignet, beschleunigt der vorzeitige Akademieaustritt im Jahr 1909 sein Streben, nach einer eigenen künstlerischen Verwirklichung. Mit Freunden gründet er die "Neukunstgruppe" und entwickelt einen Zeichenstil, der absichtsvoll den Eindruck von Fragilität und Verkrampfung hervorruft. Antiakademisch und radikal subjektiv wählt Schiele dabei Blickwinkel und Ansichten, welche die nur selten frontal oder in voller Gestalt ins Bild gefügten Figuren von der kompositorischen Anlage her verzerrt und deformiert erscheinen lassen. Diese, die gewöhnliche Wahrnehmung irritierenden, morbid farbigen Darstellungen, die motivisch zu einem großen Teil aus Selbstbildnissen, aber auch Porträts und insbesondere aus durch stark erotische Züge gekennzeichneten Akten bestehen, werden somit zu einem frühen Zeugnis des Wiener Expressionismus.

Stärker als in seinen Gemälden hat sich Egon Schiele in den Aquarellen künstlerische Freiräume erarbeitet, die für sein Gesamtwerk sehr bedeutend sind. Die Beziehung zwischen Maler und Modell war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine völlig andere geworden. Schon die Expressionisten der "Brücke" hatten ihre weiblichen Modelle bevorzugt unter jungen Mädchen gesucht. Der formale Reiz des noch adoleszenten Körpers ohne jene üppigen Rundungen, die noch die Impressionisten begeistert hatten, kam einer Ästhetik entgegen, die ihre Erfüllung im Androgynen suchte. Schiele folgt diesem Trend und geht noch weiter. Er nähert sich dem Modell auf eine so direkte Weise, dass sie für den ersten Moment schockierend wirkt. Sein Dialog mit dem Modell findet auf zwei Ebenen statt. Da ist zum einen die formal-ästhetische Sicht, die den Körper in einer manierierten Pose fixiert, um gleichsam aus dem jungen Leben ein statisches Muster herauszufiltern. Und zum anderen ist da die fast voyeuristische Nähe, mit der sich der Künstler der Dargestellten in den intimsten Situationen nähert. Unser Aquarell, zu dem es kaum vergleichbare Werke im malerischen Œuvre Schieles gibt, ist in seiner direkten Aussage von einer Unmittelbarkeit der Beobachtung, die für Arbeiten dieser Zeit charakteristisch ist. Die Position der Dargestellten kann im doppelten Sinn verstanden werden, sowohl als Hockende - folgt man dem Sinn der Signatur - als auch als Liegende mit angezogenen Beinen. Letzteres ist eine Sicht, wie sie Egon Schiele sehr oft dargestellt hat. Die leicht erhöhte Position des Malers erlaubte ihm eine erweiterte Sicht auf den Körper der Dargestellten. Feste, umrisshafte Bleistiftstriche, die den Akt beschreiben, modellieren die Gliedmaßen in einer klaren Sprache, die keiner weiteren Erklärung bedarf. Sie wird durch die leuchtende Aquarellierung noch unterstrichen, die, wirkungsvoll in den äußeren Bereich der Darstellung gerückt, das Augenmerk zusätzlich auf die etwas fahle Nacktheit der Dargestellten lenkt. Die Körperfarbe mit der des Papiers gleichzusetzen, schafft zusammen mit den akzentuierenden Farbkomponenten außerhalb des Körpers eine erotische Spannung der besonderen Art. Das Adoleszente des jungen Modells wird auf diese Weise unterstrichen und so einer optischen Begehrlichkeit preisgegeben.

Als Schiele ab 1915 für zwei Jahre als Soldat eingesetzt wird, entstehen nur wenige Gemälde. Der Maler beteiligt sich jedoch weiter an vielen Ausstellungen, wie z.B. der Wiener Sezessionsausstellung, die 1918 mit 50 seiner Arbeiten ein großer Erfolg wird. Im selben Jahr noch stirbt Egon Schiele mit gerade 28 Jahren am 31. Oktober.[KD].




328
Egon Schiele
Liegender weiblicher Akt mit angezogenen Beinen, 1913.
Gouache
Schätzung:
€ 300.000
Ergebnis:
€ 925.000

(inkl. Käuferaufgeld)