Auktion: 400 / Moderne Kunst am 08.12.2012 in München Lot 64

 

64
Paul Kleinschmidt
Zirkusdiva, 1949.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 30.000
Ergebnis:
€ 53.680

(inkl. Käuferaufgeld)
Zirkusdiva. 1949.
Öl auf Leinwand.
Lipps-Kant 395. Links unten monogrammiert und datiert (in die nasse Malschicht eingeritzt). Auf dem Keilrahmen datiert und bezeichnet: "Zirkusdame (Uhr) No. 34". 116 x 89 cm (45,6 x 35 in).

PROVENIENZ: Privatsammlung Baden-Württemberg.

Am 31. Juli 1883 wird Paul Kleinschmidt als Spross einer Künstlerfamilie geboren, der Vater ist Direktor einer Wanderbühne, die Mutter Schauspielerin. Während eines Kunststudiums an der Berliner Akademie bei dem Historienmaler Anton von Werner ist Adolf von Menzel das künstlerische Vorbild von Paul Kleinschmidt. In dieser Zeit lernt er auch Lovis Corinth kennen, der ihn sowohl menschlich als auch künstlerisch beeindruckt. 1904 setzt Kleinschmidt das Kunststudium an der Münchner Akademie bei Peter Halm und Heinrich von Zügel fort. Hier macht er sich mit den Techniken der Lithografie und Radierung vertraut. So ist der Künstler im Anschluss an die Studienzeit als Maler und Grafiker in Berlin tätig und beteiligt sich dort 1908 und 1911 an den Ausstellungen der Sezession. 1914 erhält Paul Kleinschmidt die Einberufung zum Wehrdienst, wird aber wegen einer Gasvergiftung ein Jahr später vom Kriegsdienst suspendiert. Ab 1915 übt er verschiedene Tätigkeiten, u. a. als Maschinenzeichner und Zeichenlehrer, aus. In dieser Zeit entstehen viele seiner bedeutendsten Radierungen und Lithografien, die 1923 in der ersten Kleinschmidt-Ausstellung im Euphorion-Verlag und 1925 bei F. Gurlitt in Berlin gezeigt werden. Danach geht die druckgrafische Produktion zugunsten einer intensiveren Beschäftigung mit der Malerei zurück. 1927 knüpft Paul Kleinschmidt erste Kontakte mit dem New Yorker Kunstsammler Erich Cohn, der schließlich sein Mäzen wird. 1932 zieht der Künstler von Berlin nach Süddeutschland, wo er zunächst in Klingenstein bei Blaubeuren, dann in Ulm wohnt. Doch auch diese Stadt verlässt er bereits ein Jahr später, um nach Ay bei Senden zu gehen. Hier sind er und seine Familie schon bald politischen Repressionen ausgesetzt. Der politische Druck nimmt zu, so dass Kleinschmidt seine Emigration nach Holland plant und 1936 durchführt. Von dort aus geht er 1938 nach Frankreich. Im Februar 1940 wird Kleinschmidt für mehrere Monate in verschiedenen Lagern interniert, anlässlich der französischen Kapitulation dann wieder freigelassen. In Bensheim ansässig, wird Paul Kleinschmidt 1943 mit einem Malverbot belegt. 1945 verbrennt bei einem Bombenangriff sein gesamter Besitz.

Das Korsett, heute aus dem Fundus der Frauengarderobe fast völlig verschwunden, war für Generationen von Männern Gegenstand großer erotischer Phantasien. Lange vor Paul Kleinschmidt wurde ihm gehuldigt. Der heimliche Blick auf die intime Szene des An- und Ausziehens war für viele Künstler des späten neunzehnten und beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts der Inbegriff von erotischer Spannung. Doch keiner hat sich so konsequent und ausführlich diesem Thema gewidmet wie Paul Kleinschmidt. Er sieht seine üppigen Damen fast ausschließlich im Korsett, das eine körperliche Fülle kaum zu bändigen weiß. Selbst die Malmittel hat Kleinschmidt dem Sujet angepasst. Sein satter Pinselstrich lässt das schwellende Formengut noch plastischer erscheinen. Die Formen sind gerundet und prall. Eine profunde Freude am Leben liegt in diesen Sujets. Paul Kleinschmidt erfasst die irdischen Freuden des Körpers auf seine Weise und visualisiert sie ohne jemals ins Vulgär-Erotische abzugleiten.

Die schon 1940 diagnostizierte Angina Pectoris verstärkt sich ab 1948 derart, dass sich der Künstler nicht mehr erholt und ein Jahr später am 2. August 1949 stirbt. [KD].




64
Paul Kleinschmidt
Zirkusdiva, 1949.
Öl auf Leinwand
Schätzung:
€ 30.000
Ergebnis:
€ 53.680

(inkl. Käuferaufgeld)