Auktion: 368 / Moderne Kunst am 12.06.2010 in München Lot 12

 
Auguste Rodin - Andrieu d


12
Auguste Rodin
Andrieu d'Andres (Les bourgeois de Calais), 1895.
Bronze
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 189.100

(inkl. Käuferaufgeld)

Bronze mit rot-brauner Patina
Auf dem Sockel sowie an der Unterseite mit dem Namenszug, an der Rückseite des Sockels mit der Bezeichnung "Alexis Rudier, Fondeur, Paris". 42,5 x 21,5 x 19 cm (16,7 x 8,4 x 7,4 in)
Die verkleinerte Form entsteht wohl um 1900. Gegossen, wohl posthum, von Alexis Rudier, Paris.

PROVENIENZ: Privatsammlung Rheinland (seit 1954).
Galerie Margret Heuser, Düsseldorf (2000).
Privatsammlung Deutschland.

LITERATUR: John L. Tancock, The sculpture of Auguste Rodin, Philadelphia 1976, Nr. 67-69-13, S. 390 (anderes Exemplar).

Rodin ist die bedeutendste Persönlichkeit der Bildhauerei des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Als letzter großer klassischer Bildhauer ist er gleichzeitig aber auch der Begründer der modernen Plastik. Er beschreitet völlig neue Wege, indem er in einem Wechselspiel von Licht und Schatten seinen Figuren eine impressionistische Lebendigkeit verleiht und es versteht, allgemeinmenschliche seelische Befindlichkeiten in ihrer Wesentlichkeit aus dem Körper heraus darzustellen. Dies ist zum einen für die damalige Zeit eine große Innovation, zum anderen liegt die Bedeutung seiner Kunst in dem revolutionierenden Einfluss auf die künftige Entwicklung der Bildhauerei im 20. Jahrhundert. Während eines dreijährigen Besuches an der Petite Ecole ab 1854, die eigentlich für die Ausbildung von Kunsthandwerkern bestimmt ist, entdeckt Rodin sein Interesse für die Bildhauerei. Er bewirbt sich an der Grande Ecole, scheitert jedoch dreimal bei der Aufnahmeprüfung. Da ihm somit der klassische Ausbildungsweg verschlossen ist, arbeitet er vorerst nebenbei als Dekorateur, was ihm die Existenz als freier Künstler ermöglicht. Der durchschlagende öffentliche Erfolg als Bildhauer äußert sich erst gegen Ende der 1880er Jahre, als 1889 eine Ausstellung mit 36 Werken endlich die verdiente Anerkennung bringt. Bis dahin arbeitet Rodin in den 1870er Jahren u. a. als Architekturbildhauer in Brüssel und später in der Sèvres-Manufaktur. Das folgende Jahrzehnt bringt die Staatsaufträge zum "Höllentor", zu den "Bürgern von Calais", dem Victor-Hugo-Denkmal und einer großen Marmor-Version der Skulptur "Der Kuss". 1883 lernt Rodin Camille Claudel kennen, die für die folgenden 15 Jahre seine Assistentin, sein Modell und seine Geliebte wird. Daneben pflegt er weiterhin die Beziehung zu Rose Beuret, die er bereits 1864 kennengelernt hat und die ihm als Lebensgefährtin zur Seite steht, bis er sie 1917 schließlich heiratet.

1884 beschließt die Stadt Calais, seinem heldenhaften Bürger Eustache de St. Pierre ein Monument zu errichten. Dieser Patrizier rettete durch seinen Einsatz die Bürger von Calais vor dem Hungertod. Die Stadt wurde 1146-47 elf Monate lang von den Engländern unter König Edward III belagert. Der König verlangte von der Stadt eine ungewöhnliche Kapitulation: sechs Patrizier sollten ihm gekleidet in Sackleinen den Schlüssel der Stadt überreichen. Einer der reichsten Männer der Stadt, Eustache de St. Pierre, erklärte sich als Erster bereit, dieses Opfer zu bringen, welches wohl den Tod bedeutete, um so die Stadt zu retten. Ihm folgten weitere fünf Bürger, darunter Andrieu d'Andres. Als sich Rodin für diesen Auftrag bewirbt, entschließt er sich sofort für ein Monument in Gedenken an alle sechs Patrizier. Es entstehen verschiedene Modelle für die einzelnen Figuren, nur unser Dargestellter - der Zweifler - mit seinen vor den Kopf geschlagenen Händen verändert sich nicht. Rodin ist gleich nach dem ersten Entwurf von dieser Figur überzeugt. Der Künstler liebt die Dramatik sowohl im Gestischen als auch in der Formensprache. Nicht umsonst sehen ihn seine Zeitgenossen als Interpreten eines Impressionismus der plastischen Form. Dieser Wille zum Pathos mit einem übersteigerten Ausdruck und dramatischem Sinngehalt zeigt sich ausdrucksvoll in der Figur des Andrieu d'Andres.

Die 1890er Jahre beginnen mit dem Auftrag zu einem Balzac-Denkmal, zu dem Rodin im Verlauf der Arbeit zu einer Darstellung gelangt, die v. a. die geistige Innenwelt des Dichters aufzeigen soll. Im Jahr 1905 wird Rilke Rodins Sekretär, jedoch 1906 bereits wieder entlassen. In diesem Jahr wird "Der Denker" vor dem Pantheon aufgestellt. 1911 erscheint Rodins Buch "Die Kunst", das die wichtigste Quelle seiner Kunsttheorie darstellt. 1916, ein Jahr vor Rodins Tod, wird, basierend auf der Schenkung seiner Werke an den Staat, das Musée Rodin im Hôtel Biron konstituiert. Am 17. November um 4 Uhr morgens stirbt Rodin in Meudon. [SM].




12
Auguste Rodin
Andrieu d'Andres (Les bourgeois de Calais), 1895.
Bronze
Schätzung:
€ 70.000
Ergebnis:
€ 189.100

(inkl. Käuferaufgeld)