Auktion: 360 / Moderne Kunst am 12.12.2009 in München Lot 136

 
Otto Mueller - Wald und Fluß


136
Otto Mueller
Wald und Fluß, 1928.
Leimfarbe auf Rupfen
Schätzung:
€ 90.000
Ergebnis:
€ 109.800

(inkl. Käuferaufgeld)

Leimfarbe auf Rupfen
Von Lüttichau 570. 85 x 109 cm (33,4 x 42,9 in)

PROVENIENZ: Privatsammlung Süddeutschland (seit Ende der 1920er Jahre in Familienbesitz).

Otto Mueller wird am 16. Oktober 1874 in Liebau im Riesengebirge geboren. Die ersten Jahre verbringt er zusammen mit seiner Mutter und seinen Geschwistern auf dem Gutshof der Großeltern in Liebau. 1882 zieht er zum Vater nach Görlitz, besucht dort die Volksschule und später das Gymnasium. 1890-92 absolviert er eine Lithografenlehre in Görlitz und Breslau. Seiner zunächst praktischen Ausbildung schließt sich ein Studium von 1894 bis vermutlich 1897 an der Dresdner Kunstakademie bei Georg Hermann Freye und für kurze Zeit bei Carl Ludwig Noah Bantzer an. 1898/99 geht Mueller mit seinem Freund Paul Kother zum Studieren nach München. Nach einem vergeblichen Versuch, in der Klasse von Franz von Stuck aufgenommen zu werden, entschließt er sich, sich autodidaktisch weiterzubilden, und zieht in den Süden von München. Im Herbst 1899 bricht er mit dem Fahrrad nach Dresden auf, lebt und arbeitet überwiegend dort und in der Umgebung, bis er 1908 nach Berlin übersiedelt. Dort macht Mueller die Bekanntschaft von Wilhelm Lehmbruck und Erich Heckel, Mitglied der Künstlergruppe "Die Brücke". Er selbst wird 1910 Mitglied dieser Künstlervereinigung. Otto Muellers künstlerische Anfänge liegen im Jugendstil. Daher rührt seine Betonung des Linearen und des Dekorativen. Wichtig wird dann der Einfluss von Wilhelm Lehmbruck, der Mueller zur Betonung der Silhouettenformen und zu einem klassischen, elegant-grazilen Figurenstil anregt. Durch die Hinwendung zum Expressionismus verändert sich Muellers Stil: Vor allem im Figürlichen wird er großflächiger, die Konturen zeichnet er schärfer. Dazu schafft er nun in einer gedämpften erdigen Farbskala seine typischen Sujets - blasse, melancholische Mädchenakte in freier, stiller, stark vereinfacht dargestellter Landschaft.

Was die Mitglieder der Künstlergemeinschaft "Die Brücke" in ihren Ausflügen an die Ostsee, zu den Moritzburger Teichen und in der Südsee suchen, findet sich in den Werken Otto Muellers: eine von der Zivilisation kaum berührte Natur. Seine Landschaftsdarstellungen haben nichts Dramatisches, sondern beschwören die absolute Abgeschiedenheit und Ruhe der Natur. Muellers Bildmotive sind nicht nebulös verschlüsselt, sondern von einer Klarheit und Direktheit, aus der sich ihre faszinierende rätselvolle Anziehungskraft ergibt. Der dicht bestandene Wald - gleich einem Urwald, undurchdringlich und scheinbar unberührt von Menschenhand - spiegelt deutlich Muellers Sehnen nach einem unverfälschten Idyll wieder. Die Bildkomposition ruht ohne künstlich gesetzte Höhepunkte und spektakuläre Sichtachsen ganz in sich, interpretiert in gedämpften Grüntönen, die lediglich durch Akzente in maritimem Blau durchbrochen werden. Otto Mueller sieht die Natur, wie sie seiner Idealvorstellung entspricht: ein unantastbarer, paradiesischer Ort. Sollte sich diesem Ort ein Mensch nähern, dann nur in seiner natürlichsten, unschuldigsten Form.

Obwohl Mueller als wichtiger Vertreter des Deutschen Expressionismus gilt, trennt ihn doch auch vieles von dieser Kunstauffassung. Denn statt Leidenschaft entwirft er eine große harmonische Vereinfachung von Form, Farbe und Konturenspiel. Nach zweijährigem Kriegsdienst von 1916 bis 1918 folgt Mueller 1919 einem Ruf an die Breslauer Akademie, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1930 lehrt. [SM].




136
Otto Mueller
Wald und Fluß, 1928.
Leimfarbe auf Rupfen
Schätzung:
€ 90.000
Ergebnis:
€ 109.800

(inkl. Käuferaufgeld)